american pie : Vom Gipfel in die Obskurität
Die Super-Bowl-Gewinner Tampa Bay Buccaneers haben nach der sechsten Niederlage kaum noch Chancen auf die Football-Playoffs
Jon Gruden hatte vor dem Football-Match seiner Tampa Bay Buccaneers gegen die Green Bay Packers tiefer in die Kiste der Psychotricks gegriffen als Klaus Toppmöller in seinen besten Zeiten. Videoclips großer Momente von Michael Jordan, Tiger Woods oder Larry Bird mussten sich die Spieler anschauen, und dann ließ der Coach auch noch „The Rock“ in die Kabine schleppen. Nicht den Wrestler und Filmstar, sondern einen echten hundertpfündigen Felsbrocken, der für die Bucs letzte Saison jenen Arbeitsethos symbolisiert hatte, welcher sie zum Gewinn der Super Bowl führte.
Nur dumm, dass die Profis dann zeitweise Football spielten, wie es vermutlich Jordan, Woods oder Bird tun würden. Am Ende stand eine 13:20-Niederlage, womit weitgehend besiegelt ist, dass der Champion den Weg seiner Vorgänger New England Patriots nehmen wird: von der Super-Bowl-Glorie in die Obskurität. Tampa Bay müsste wohl alle restlichen Saisonspiele, sechs an der Zahl, gewinnen, um noch eine Playoff-Chance zu haben. Kaum zu erwarten bei einer bisherigen Bilanz von sechs Niederlagen in zehn Spielen.
Was die Gründe des rapiden Niedergangs betrifft, ist Jon Gruden einigermaßen ratlos. Receiver Keyshawn Johnson hilft da gern aus: „Alles ist das Problem!“ Dabei belegt seine Offensivabteilung, zuvor alles andere als das Prunkstück des Teams, derzeit einen erstaunlichen siebten Rang in der National Football League (NFL). Dafür lässt aber die wesentliche Grundlage des Titelgewinns 2003 zu wünschen übrig: die Defensive, die gegen Green Bay schon zum vierten Mal entscheidende Punkte kurz vor Spielschluss zuließ. Fast zehn Minuten lang kamen die Bucs nicht an den Ball, mit 17 Spielzüge durften die Packers 98 Yards zum entscheidenden Touchdwon zurücklegen. Nicht zuletzt begünstigt durch Strafen nach Regelverstößen, welche Grudens Team in dieser Saison verfolgen wie die Pest. Das Publikum hat längst die Geduld verloren mit seinen noch vor wenigen Monaten umjubelten Champions. Als der unerfahrene Kenyatta Walker wegen eines Griffs in die gegnerische Maske eine weitere Strafe für Tampa heraufbeschwor, wurde er gnadenlos ausgepfiffen. „Sie müssen nicht noch mehr Druck auf den Jungen ausüben“, erboste sich Johnson, „aber so was begreifen Fans ja nicht.“
Besonders bitter für die Bucs war die Pleite eine Woche zuvor beim direkten Rivalen Carolina Panthers, die jede Hoffnung auf den Divisionstitel begrub. Auch da verwandelten die Gastgeber in den letzten zwei Minuten gegen die hilflose Defense ein 20:24 in einen 27:24-Sieg. Zuvor hatte Tampas Lineman Simeon Rice noch öffentlich einen Sieg garantiert, entsprechend groß war der Hohn der Panthers. „Wir quatschen nicht in Zeitungen herum“, lästerte Brentson Buckner, „da gewinnt man keine Spiele.“ Auch Kris Jenkins machte aus seinem Herzen keine Mördergrube. „Ich kann sie nicht ausstehen. Sie reden zu viel. Wenn sie ihr Rot anziehen und wir unser Blau, ist es wie Bloods und Crips“, zog der Tackle ungeniert Parallelen zu den beiden berüchtigsten Gangs in Los Angeles.
„Es saugt dir das Leben aus“, sagte Jon Gruden nach der erneuten Schlappe gegen Green Bay. Was bleibt, ist vor allem die Hoffnung auf schwache Gegner, am nächsten Spieltag zum Beispiel die New York Giants, die mit sechs Niederlagen einen „ähnlich versauten Magen“ haben, so Gruden. Da dem Coach die Psychotricks inzwischen ausgegangen sind, hält er es nun mit den Indianern: „Zusammenbleiben, die Waggons umkreisen, einen Weg finden.“ Wie diese Geschichte ausgegangen ist, dürfte bekannt sein. MATTI LIESKE