piwik no script img

Archiv-Artikel

american pie Auf den Spuren von Charles Barkley

Mit Steve Nash, dem besten Basketballer der NBA, als gutem Geist knüpfen die Phoenix Suns an ruhmreiche Zeiten an

Mark Cuban ist gewiss kein Mann, der dazu neigt, sich selbst oder seine Entscheidungen in Frage zu stellen. Ein wenig ins Grübeln wird der Besitzer des Basketballklubs Dallas Mavericks jedoch schon geraten sein, als Steve Nash am Montag vor seinen Augen die Trophäe des besten Spielers der NBA-Saison in die Höhe reckte. Das Publikum in Phoenix jubelte dem Spielmacher seiner Suns begeistert zu, ein bisschen säuerlich schauten die Spieler der Mavericks drein. Letzte Saison hatte der Kanadier noch in ihren Reihen gestanden, und er wäre auch gern in Dallas geblieben. Doch als ihm Cuban nicht die 65 Millionen Dollar für einen Fünfjahresvertrag geben wollte, die ihm die Phoenix Suns boten, machte er kurzen Prozess und ging nach Arizona. Sehr zum Leidwesen seines Freundes Dirk Nowitzki, den er vor Beginn des ersten Aufeinandertreffens beider Teams im NBA-Viertelfinale herzlich umarmte.

Danach war es vorbei mit den Freundlichkeiten. 11 Punkte und 13 Assists steuerte Steve Nash maßgeblich zum komfortablen 127:102-Sieg der Suns bei. Nowitzki traf zwar erheblich besser als in der Serie gegen Houston, wo ihn die Defense von Tracy McGrady schwer beeinträchtigt hatte, doch seine 28 Punkte und 13 Rebounds genügten nicht, um Dallas im Spiel zu halten. Zumal es auch Kontrahent Shawn Marion gelang, Nowitzki in entscheidenden Momenten zu bremsen. Ausschlaggebend für den klaren Sieg der Suns war jedoch das Duell auf der Centerposition, wo Erick Dampier, Alan Henderson und Shawn Bradley kein Mittel gegen den kleineren Amare Stoudemire (40 Punkte) fanden. Ungewohnt harsch die Kritik Nowitzkis an Dampier. „Er war immer einen Schritt zu langsam, hatte Foulprobleme und konnte nicht aggressiv sein.“ Dem Teamgeist in Dallas scheint die problematische Serie über sieben Spiele gegen Houston nicht unbedingt bekommen zu sein.

Komplette Zufriedenheit herrschte dafür bei den Phoenix Suns, die auf dem besten Weg sind, an ihre große Zeit von 1993 anzuknüpfen, als sie mit Charles Barkley, Kevin Johnson und Dan Majerle im NBA-Finale nur knapp an Michael Jordan und seinen Chicago Bulls scheiterten. Zu verdanken ist dieser Aufschwung vor allem Steve Nash, der die Talente von Stoudemire, Marion, Joe Johnson und dem Dreierspezialisten Quentin Richardson perfekt in Einklang bringt. Mit ihm gewannen die Suns, letzte Saison mit nur 29 Siegen eines der schlechtesten Teams der Liga, 62 Spiele und rauschten mit einem 4:0 gegen die Memphis Grizzlies locker durch die erste Play-off-Runde. Die Zahl der Assists stieg dank Nash deutlich an, die der Ballverluste ging zurück, und der Punkteschnitt pro Spiel wuchs von 94,2 auf stolze 110,4. Umgekehrt die Entwicklung bei Dallas, wo sich die entsprechenden Werte alle verschlechterten. Nash war mit 11,5 Assists pro Spiel nicht nur der beste Vorbereiter der Liga, sondern kam auch selbst auf einen Schnitt von 15,5 Punkten bei atemberaubenden Trefferquoten: 50,2 Prozent aus dem Feld, 43,1 Prozent bei den Dreiern und 88,7 Prozent von der Freiwurflinie.

Wichtiger noch für das junge Suns-Team sind die Führungsqualitäten des 31-Jährigen. „Ich fühle mich sehr alt in diesem Umkleideraum“, schildert Nash ein neue Erfahrung. „Er ist unser General auf dem Platz und bringt den anderen bei, wie man spielt“, lobt Coach Mike D’Antoni, der selbst vor der Wahl zum Trainer des Jahres steht und ein weiterer Faktor für den Aufschwung in Phoenix ist. „Irgendjemand muss die individuellen Auszeichnungen bekommen, aber es ist immer noch ein Teamsport“, sagt D’Antoni, „und das ist ein verdammt gutes Team.“

Die Rasanz, die mit Steve Nash Einzug ins Spiel der Suns gehalten hat, überfordert die meisten Gegner, so auch am Montag die Mavericks, die normalerweise gewinnen, wenn sie mehr als 100 Punkte schaffen. Nicht so gegen Phoenix. „Sie haben 130 Punkte gemacht und uns ausgelacht“, ärgerte sich Dirk Nowitzki. Die Kehrseite des Offensivschwungs ist häufig eine schwächere Defense der Suns, die in den Play-offs bislang aber noch nicht zum Tragen kam.

Euphorisch feierten vor allem Kanadas Medien den MVP-Titel, den Nash (1.066 Punkte) knapp vor Shaquille O’Neal (1.032), deutlicher vor Dirk Nowitzki (349) und Tim Duncan (328) gewann. Gewohnt bescheiden kommentierte er selbst seinen persönlichen Triumph: „Ich hätte O’Neal gewählt.“ MATTI LIESKE