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american pieMeister und Mensch

Gregg Popovich hört als Trainer in der NBA auf. Er steht für Humanität und schönen Basketball

Auftritt Gregg Popovich. Zum ersten Mal nach seinem Schlaganfall vor sechs Monaten ist der Basketballtrainer, der längst Legendenstatus hat in der NBA, vor die Presse getreten. Er hatte etwas klarzustellen. Anfang Mai war offi­ziell geworden, was viele schon geahnt hatten: Popovich ist nicht mehr Trainer der San Antonio Spurs, die er seit 1996 zu 1.422 Siegen und fünf Meisterschaften gecoacht hat. Wie Nachrufe lasen sich die Huldigungen, die zu seinem Abgang erschienen waren. Nun stellte er klar: „Ich habe einen neuen Job. Ich bin nicht mehr Trainer, ich bin El Jefe.“ Chef also. Sein offizieller Titel: Team President. Er bleibt dem Basketball also erhalten.

Welch besondere Persönlichkeit der 76 Jahre alte Meistertrainer ist, das war auch bei diesem Medientermin greifbar. Der von seinem Schlaganfall gut erholte, aber immer noch gezeichnete Popovich betrat den Raum ohne fremde Hilfe. Begleitet wurde er von Manu Ginóbili und Tim Duncan, zwei ehemaligen Spielern, die unter ihm zur Blüte ihrer Kunst gefunden haben. Er wollte zeigen, dass er sich mittlerweile ohne Stock fortbewegen kann. Duncan trug die Gehhilfe seines ehemaligen Mentors. Und der übergab das Amt vor der versammelten Presse an seinen ehemaligen Assistenten Mitch Johnson und bedankte sich bei den beiden ehemaligen Spielern dafür, dass sie ihn durch den Reha-Prozess begleitet haben.

Vom besonderen Verhältnis Popovichs zu seinen Spielern war viel geschrieben worden, nachdem sein Abschied von der Linie verkündet worden war. An diesem Montag wurde es noch einmal vorgeführt. Und die Beobachtenden erinnerten sich an die Zeit in der Ginóbili als der beste Playmaker der Welt galt, aber von Popovich konsequent aus der Starting Five herausgehalten wurde. Sonderrechte als Superstar – so etwas sollte es unter Popovich eben nicht geben. Der immer zurückhaltende Tim Duncan, der fünf Meisterschaften mit den Spurs gewonnen hat und dabei dreimal als wertvollster Spieler der Finalserie ausgezeichnet wurde, kann man getrost als den Inbegriff eines Stars ohne Allüren bezeichnen. Popovich wird gewiss seinen Anteil daran ­haben.

Wie sehr er dafür steht, dass alle Menschen gleich sind, konnte niemandem verborgen bleiben

Es waren eben alle gleich für ihn. Und wenn einmal einer auf dem Parkett gemacht hat, was ihm gerade einfiel, dann kassierte er schon mal einen Anschiss vom Trainer. Tony Parker von 2001 bis 2018 Guard bei den Spurs, wird ein Lied davon singen können. Heute gehört auch Parker zu denen, die kein schlechtes Wort über Po­po­vich verlieren. Auch der Franzose hat seinen ehemaligen Trainer in der Reha besucht.

Wie sehr er auch politisch dafür steht, dass alle Menschen gleich sind, konnte niemandem verborgen bleiben. So stellte er sich kompromisslos hinter Football-Star Colin Kaepernick, als der anfing bei der US-Hymne vor den Spielen auf die Knie zu gehen, um auch die Diskriminierung von Schwarzen in der Gesellschaft hinzuweisen. Für einen Absolventen der US Army Academy, der fünf Jahre bei der Luftwaffe gedient hat und eine Karriere bei der CIA erwogen hat, ist das durchaus bemerkenswert.

Ebenso bemerkenswert, wie sein Einfluss auf den Basketball, der in der NBA gespielt wird. Bevor er die Spurs 1999 zum ersten Titel geführt hat, ging es auf dem Parkett eher öde und nicht allzu dynamisch zu. Es dominierten die Dribbler und Distanzschützen in der NBA. Mit Popovich veränderte sich das Spiel, es wurde europäischer und schneller. Schon bald war vom „beautyful bame“ der Spurs die Rede. Es wurde Pass um Pass gespielt und das Pick and Roll kam durch Popovich erst so richtig in der NBA an. Das Zusammenspiel von Guard und Big Men vor der gegnerischen Zone war eine europäische Spezialität, heute ist der Spielzug auch aus der NBA nicht mehr wegzudenken. So gesehen ist Popovich weiter präsent in der Liga, auch wenn er nicht mehr an der Linie stehen wird. Andreas Rüttenauer

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