piwik no script img

american pieEin großes Experiment

Bei den Houston Rockets sind die Freunde und NBA-Stars Russell Westbrook und James Harden wiedervereint. Ein Luxusproblem ist die Folge

Kleine Rückblende: Der 21. Juni 2012 ist ein Meilenstein in der Karriere von LeBron James. Der beste Basketballspieler seiner Generation wird mit den Miami Heat endlich zum ersten Mal NBA-Champion und straft alle Kritiker Lügen. Ein weiterer Titel mit Miami wird folgen, später noch einer mit Cleve­land dazukommen. In der kommenden Saison mit den Los Angeles Lakers will LeBron James nun seine vierte Meisterschaft gewinnen.

Vielleicht noch spannender aber ist ein Blick in die Statistiken des Finalgegners von damals. Die meisten Punkte für Oklahoma City Thunder erzielt an jenem 21. Juni 2012 ein gewisser Kevin Durant, 32 Jahre alt, gefolgt von zwei Typen namens Russell Westbrook, 19, und James Harden, 19. Drei Spieler, die später jeweils zum MVP, zum wertvollsten Spieler der NBA gewählt werden. Dieses Oklahoma-Team hatte womöglich das größte Potenzial, das jemals eine Vereinsmannschaft versammeln konnte.

Sieben Jahre später ist davon nichts mehr übrig. Harden wurde gleich nach dem verlorenen Finale zu den Houston Rockets verscheuert, Durant ging 2016 zu den Golden State Warriors. Und nun verlässt auch noch Westbrook den Verein, dessen unangefochtenes Aushängeschild er seit Jahren war.

Ironischerweise wird Westbrook nun nach sieben Jahren in Houston mit Harden wiedervereint. Die beiden kennen sich seit ihrer Kindheit in Los Angeles, sie sind bis heute gut befreundet. Das ist auch der Hauptgrund für das Tauschgeschäft zwischen Houston und Oklahoma, das im Gegenzug Chris Paul bekommt. Zuletzt tauchten Berichte auf, dass Paul und Harden während der vergangenen Spielzeit immer öfter aneinandergeraten waren – und Harden nun hinter den Kulissen dafür gesorgt hat, dass Paul ausgetauscht wird gegen seinen alten Freund, der „in Oklahoma City nicht mehr glücklich war“. Sagt zumindest Harden, während Westbrook außer einem sentimentalen Abschiedsbrief an die Fans in Oklahoma sich noch nicht geäußert hat.

NBA-Beobachter aber dürfen sich auf die kommende Saison freuen. Nicht nur das neue Star-Aufgebot in Los Angeles, wo sich die Lakers mit LeBron James und Anthony Davis gegen die Clippers mit Kawhi Leonard und Paul George heiß umkämpfte Lokalderbys liefern werden, garantiert Schlagzeilen. Auch in Houston dürfte es rundgehen. Denn auch wenn der 29-jährige Harden und der ein Jahr ältere Westbrook lange schon befreundet sind, und selbst wenn die beiden ihre Egos inzwischen im Zaum halten und es keine atmosphärischen Störungen geben sollte: Rein sportlich könnte es schwierig werden zwischen den beiden Kumpels. Denn auf dem Spielfeld passen die beiden einfach nicht zusammen.

Die Ballmonopole

Beide sind Aufbauspieler, die unbedingt den Ball brauchen, um ihr Spiel aufziehen zu können. Die entscheidende Statistik hier ist die sogenannte „Usage Rate“: 40,47 Prozent des gesamten Ballbesitzes der Houston ­Rockets in der vergangenen Saison endeten mit James Harden, der entweder auf den Korb warf, Freiwürfe herausholte oder sich einen Ballverlust leistete. Das wäre ein neuer Rekord gewesen, hätte Westbrook nicht schon im Jahr zuvor die Marke auf 41,65 Prozent geschraubt. Es gibt keine anderen Spieler in der NBA-Geschichte, die den Ball so monopolisiert haben wie diese beiden. Zum Vergleich: Selbst legendäre Egozentriker wie Kobe Bryant (38,74) oder Allen Iverson (37,78) kamen zu ihren besten Zeiten nie an solche Usage-Rate-Werte heran. Und die Legende Michael Jordan übertraf niemals die 36 Prozent, Dirk Nowitzkis bester Wert liegt knapp über 30 Prozent.

Eins ist also sicher: Einer der beiden, Westbrook oder Harden, wird sein Spiel verändern müssen, anders wird es nicht funktionieren. Das aber könnte schwierig werden. Denn zwar gelten beide als umgänglich im Privaten, aber auch als große Sturköpfe, wenn es um Basketball geht. Es wird ein großes Experiment, das da in der kommenden Saison steigt. Aber immerhin dürfen die Fans der Rockets zwei der besten Basketballspieler der Welt dabei zusehen, wie sie sich an der Quadratur des Kreises versuchen – während man in Oklahoma City einer vergangenen Zeit nachtrauert, als man drei der größten Talente aller Zeiten unter Vertrag hatte, aber doch nie einen Titel gewann. Thomas Winkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen