american pie: Lukrativer Tabubruch
BASKETBALLDie NBA erlaubt ab 2017 erstmals Trikotwerbung. Vermutlich werden die anderen großen US-Sportligen bald dem Beispiel folgen
Es ist ein mutiges Experiment“, sagt Adam Silver derzeit in so ziemlich jedes Mikrofon, das ihm entgegengehalten wird. Der 53-jährige Chef der NBA gibt sich alle Mühe, den Tabubruch seiner Liga als Chance für alle zu verkaufen.
Mit Beginn der Saison 2017/18 führt die NBA erstmals Trikotsponsoring ein. Das entschied das Board of Governors. Auf knapp sechs Quadratzentimetern der bunten Leibchen darf dann für Limonaden, Banken, Autos oder eben auch Kräuterlikör geworben werden. Die 30 Teams dürfen selbst mit Geldgebern verhandeln. Es ist eine Premiere im US-Sport. Zwar sind Trikotsponsoren in der Fußball-Liga MLS üblich wie in der restlichen Kickerwelt, auch die Mannschaften der Frauen-Basketball-Liga WNBA spielen seit 2009 mit Firmenlogos. Doch keine der „vier Großen“ aus NBA, NFL (Football), MLB (Baseball) und NHL (Eishockey) hat bisher diesen Schritt gewagt. Zu groß schätzte man bislang den Wert der eigenen Marke ein, zu weit verbreitet auch der Vorsatz, nicht zur wandelnden Litfaßsäule für Milliardenkonzerne werden zu wollen.
„Wir sind gespannt auf die Entwicklung“, sagt Silver. „Wir wissen noch nicht, wie viele Einnahmen generiert werden können, gerade deshalb brauchen und begrüßen wir diese Möglichkeit, Informationen zu sammeln, sobald die ersten Werbeflächen verkauft sind.“ Drei Jahre lang soll die erste Testphase laufen, ehe eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Zu Beginn erwarten Experten Erlöse von 100 bis 150 Millionen US-Dollar – im Grunde ein nettes zusätzliches Trinkgeld für die Liga, deren Einnahmen für die Saison 2017/18 auf sieben Milliarden geschätzt werden. Dass die Klubeigner auf diese Geldquellen nach dem dreijährigen Versuch wieder verzichten werden, ist indes kaum realistisch. Bereits jetzt wird gemutmaßt, dass die anderen großen Ligen nachziehen. „Wir werden mit Sicherheit nicht die Ersten sein. Und man müsste mich schon dazu zwingen“, erklärte NHL-Chef Gary Bettman noch 2014.
Im Februar gab es schon einen medial kaum wahrgenommenen Feldversuch: beim All-Star Game wurde das Logo des Autohersteller Kia in die farbenfrohen Trikots der Ost- und West-Auswahl eingefügt. „Es kommt darauf an, wie das umgesetzt wird“, sagte der Spanier José Calderon von den New York Knicks schon 2014. „Wir wollen schließlich nicht zugepflastert werden“, ergänzte er. Zeitgleich mit der Trikotwerbung wird dazu auch erstmals in der dann über 70-jährigen NBA-Geschichte das Logo des Ausrüsters zu sehen sein. Nike lässt sich den Spaß nach Insiderschätzungen eine Milliarde US-Dollar über acht Jahre kosten. Eine Steigerung von 245 Prozent zum nun auslaufenden Vertrag mit dem deutschen Hersteller Adidas.
„Über die Jahre haben wir viele neue Werbemöglichkeiten etabliert, die anfänglich kritisch betrachtet wurden“, will Silver beruhigen. „Ich bin mir aber sicher, dass sich auch hier schnell eine positive Sichtweise durchsetzt, wenn der Erfolg sichtbar wird und zum Wachstum des Sports beiträgt.“
„Wir legen sehr viel Wert auf die Meinung der Fans und werden die Reaktionen beobachten“, beteuert Silver. Im Einzelhandel werden weiter ausschließlich die gewohnten Jerseys ohne Trikotwerbung verkauft – und selbst den Klubs wird freigestellt, ob sie in ihren Fanshops die umstrittene Spielkleidung überhaupt anbieten wollen. Der Tabubruch wird mit einer gewissen Vorsicht vollzogen.
David Digili
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