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american pieUnglaubliche Serie an Zugaben

Freut sich wie eh und je: Jaromir Jagr von den Florida Panthers Foto: ap

EISHOCKEYSchon oft schien der Ausnahmeprofi Jaromir Jagr vor seiner letzten NHL-Saison zu stehen. Nun spielt der 44-Jährige so gut wie lange nicht mehr

Der Schlüssel zu Jaromir ­Jagrs Erfolg hängt an einem Bund, den er immer mit sich trägt, wenn er mit seinem Team, den Florida Panthers, auf Reisen geht. Genauer genommen sind es 32 Schlüssel zu allen Arenen der National Hockey League. Und Jagr nutzt sie, wenn seine Mannschaftskameraden spät abends im Hotel liegen und durch das TV-Programm zappen. Jagr liebt es, wenn er die ganz Halle für sich hat und nur das Kratzen seiner Kufen hört, während er Sprints und Drehungen übt, oft mit einer 20-Kilogramm-Weste und 2 Kilo Gewichten an jedem Fußgelenk.

Auch seine Besessenheit hat Jagr die längste und erfolgreichste professionelle Eishockeykarriere aller Zeiten beschert. Seit 1990 spielt Jaromir Jagr in der US-Liga NHL. Zweimal gewann der heute 44-Jährige die Meisterschaft, fünfmal war er Torschützenkönig, dreimal wurde er von seinen Kollegen zum besten Spieler der Saison gewählt. Und ganz nebenbei gewann er mit der tschechischen Mannschaft zwei WM-Titel und olympisches Gold.

Darauf angelegt, dienstältester Profi in Nordamerika zu werden, hat es Jagr eigentlich nicht. Vielmehr ist seine Laufbahn in den vergangenen acht Jahren zu so etwas wie einer Serie an Zugaben geworden. Immer, wenn Jagr meint, es sei zu Ende, ergibt sich irgendwoher die Möglichkeit, doch noch einmal auf die Bühne zu treten, noch ein Jahr seiner Passion zu frönen.

So wollte Jagr schon nach 2008 seine Karriere in Russland ausklingen lassen. Ein Angebot von den New Jersey Devils machte seine Pläne zunichte. Als sich Jagr nach weiteren Stationen in der Saison 2014–2015 mit den New Jersey Devils verletzte, kaum Zeit auf dem Eis mehr bekam und die schlechteste Spielzeit seiner Laufbahn hinlegte, schien es jedoch endgültig zu Ende zu gehen für die Spielerlegende, die mittlerweile mehr als 1.500 Spiele und 1.700 Tore vorzuweisen hat.

Jagr wurde zu den Florida Panthers abgeschoben, einer der miserabelsten Truppen der Liga. In der gesamten Vereinsgeschichte hatten es die Panthers nur ein einziges Mal in die Playoffs geschafft. Doch mit Jagr und einer Gruppe talentierter Nachwuchsspieler sind die Panthers wie durch ein Wunder durchgestartet. Derzeit stehen sie an der zweiten Position der Atlantic Division und werden als Mannschaft gehandelt, die es in den Playoffs ganz weit bringen kann.

Jagr spielt dabei seine stärkste Saison seit Langem, befeuert von dem Gefühl, wieder in einem Team zu sein, das vorne mithalten kann. Seine Statistiken sind zwar nicht mehr ganz dort, wo sie zu seinen besten Zeiten waren, doch sie können sich unter den besten Spielern der NHL noch immer sehen lassen. Und sie sind deutlich stärker als in den vergangenen zehn Jahren.

Wertvoller noch als die traditionellen Leistungsparameter wie Schüsse, Tore und Assists sind jedoch die Fähigkeiten Jagrs, die sich nicht so leicht in Zahlen ausdrücken lassen. So schwärmen Experten von Jagrs Begabung, den Puck zu halten und so in der entscheidenden Spielsituation einen entscheidenden Spielzug einzuleiten.

Jaromir Jagr selbst ist derweil deutlich bescheidener, was seine, nicht nur für einen 44-Jährigen, erstaunlichen Leistungen auf dem Eis angeht. „Ich will mich nur nicht blamieren da draußen“, sagt er. Das sei es, was ihn motivierte, deshalb gehe er spät abends noch allein in die Halle, um Sprints und Drehungen zu pauken. Großartige Pläne hat Jaromir Jagr nicht mehr. Er hat schließlich alles erreicht. Wer zehn Jahre länger auf dem Eis steht als selbst die hartnäckigsten Weggefährten seiner Generation, der freut sich nur daran, dass er noch mitspielen kann. Das kann noch ein paar Wochen oder Monate gut gehen. Und vielleicht, wer weiß, werden daraus sogar noch ein paar Jahre. Sebastian Moll

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