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american pieDipper auf Entzug

VERBOTWenn die Baseballer der MLB in die Saison starten, müssen sie auf den geliebten Kautabak verzichten

Kau! Schmatz! Spuck! Was klingt wie aus eine Sprechblase aus einem Comicheft, ist seit Jahren optische und akustische Realität in der Major League Baseball – und soll nun ein Ende finden. „Unsere Spieler sind Bürger wie alle anderen und müssen sich an Gesetze halten“, erklärt MLB-Commissioner Rob Manfred.

Es geht um das schleichende Aus für eine zähe, dickflüssige Tradition: „Smokeless Tobacco“ oder „Dipping Tobacco“, eine spezielle Form des Kautabaks, unter den Profis der Liga seit Jahrzehnten weit verbreitet. Lokale Gesetze in San Francisco, Los Angeles und Boston verbieten seit dem 1. Januar den Konsum von Tabakprodukten in Sporteinrichtungen – viele weitere Städte sollen folgen. „Diese Gesetze sind Entscheidungen der Städte und keine von der Major League eingeführten Regeln. Trotzdem wird die Liga-Führung strengstens auf die Einhaltung der Vorschriften achten“, sagt MLB-Boss Manfred.

Auch in New York gibt es Gesetzentwürfe, die von den sonst rivalisierenden Yankees und Mets in ungeahnter Einigkeit unterstützt werden. Bereits während der Saisonvorbereitung im Spring Training wurden alle Spieler über die Lage aufgeklärt. „Es ist auf jeden Fall ein schlechter Einfluss auf die Jungs“, meint Dusty Baker, der seit dieser ­Saison die Washington Nationals trainiert und als aktiver Spieler leidenschaftlicher „Dipper“ war.

Die Verbindung des besonders für konservative Kreise typisch amerikanischen Tabakkonsums mit dem besonders für konservative Kreise typisch amerikanischen Baseball lässt sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen: Damals lagen Zigarettenpackungen als kleines Extra Baseball-Sammelkarten bei. Schnell setzte sich unter den Spielern jedoch der Kautabak durch. Das Gemisch sorgte auf den oft staubigen Feldern für Feuchtigkeit im Mund. Der Tabak wird zwischen Zahnfleisch und Unterlippe platziert. Durch Vermischung mit Speichel entsteht Tabaksaft, verantwortlich für jene telegenen braun-schwarzen Spuck-Orgien auf den Baseball-Feldern.

„Es ist nicht einfach, damit aufzuhören“, erklärt San-Francisco-Giants-Left-Hander Madison Bumgarner. „So gesehen kann der Beschluss der Stadt nur ein Schritt in die richtige Richtung sein.“ Nicht ohne Grund bietet die MLB ab sofort auch Entziehungskuren an und „eine Auswahl an Kaugummis und Nikotinpflastern, die kostenlos an jeden Klub verschickt werden.“

Die Internationale Agentur für Krebsforschung stuft Kautabak als krebserregend ein. Der einst populäre Right-Fielder Tony Gwynn starb 2014 mit 54 an Speicheldrüsenkrebs. Während der Behandlung vermutete Gwynn, sein Kautabakkonsum habe zu der Erkankung geführt. Babe Ruth, die Baseball-Ikone schlechthin, starb 1948 an Lungenkrebs.

Dabei herrschte lange der Glaube vor, die klebrige Masse hätte gar positive Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit und Konzentration. Mittlerweile wissen es alle besser. Die Liga will in den Ende des Jahres anstehenden Tarifverhandlungen eine Regel durchsetzten, die den Kautabakkonsum verbietet. Dann ist es endgültig aus mit Kau, Schmatz und Spuck. David Digili

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