american pie : Schuhe zum Spottpreis
Ein Marketinggag?NBA-Profi Stephon Marbury verkauft Billigtreter und will damit die Konsumwelt umkrempeln
Ein Turnschuh ist längst mehr als eine Fußbekleidung. Die von Michael Jordan beworbenen, exorbitant teuren Produkte der Firma Nike sind längst Sammelgegenstand und Kultobjekt geworden. Momentan geht die mittlerweile 21. Auflage der Air Jordans für 175 US-Dollar pro Paar über die Ladentische, ein Millionengeschäft. Sehr viel preiswerter ist es, in Stephon Marburys Schuhen zu stecken: Denn auch der Aufbauspieler der New York Knicks präsentiert seit neuestem eine eigene Bekleidungsmarke. Was erst einmal nichts Außergewöhnliches wäre, hat doch fast jeder Basketballstar einen nach ihm benannten Schuh. Sensationell am „Starbury One“ ist allerdings sein Preis: 14,98 Dollar kostet das gute Stück, nicht einmal ein Zehntel dessen, wofür vergleichbare Sneakers von Markenherstellern gehandelt werden.
Auf den Markt bringt den Dumpingschuh der Bekleidungshändler Steve & Barry’s University Sportswear. Gegründet 1985 von zwei Studenten als Billigladen für die Kommilitonen an der Universität von Pennsylvania, hat sich Steve & Barry’s mittlerweile zur USA-weit präsenten Kette entwickelt. Unter dem Markennamen „Starbury“, Marburys Spitzname aus Jugendtagen, werden nun auch Trainingsanzüge oder Sweatshirts zu Spottpreisen verkauft. Marbury selbst rührt die Werbetrommel und will in der kommenden Saison mit den Billigtretern sogar zu seinen NBA-Spielen auflaufen.
Die nur sehr sparsam eingesetzte Werbung verspricht „exakt dieselben Eigenschaften wie die besten Latschen auf dem Markt“, allerdings zum „niedrigsten Preis aller Zeiten eines Sneakers in NBA-Qualität“, kurz: „maximalen Glanz für minimale Ausgaben“. Oder anders gesagt: Genau das Gegenteil von dem, was der Spieler Stephon Marbury auf dem Basketballplatz abliefert. Denn der 29-Jährige dürfte in die Basketball-Geschichte eingehen als das größte Talent mit dem geringsten Erfolg. Er ist – neben der Legende Oscar Robertson – der einzige Spieler, der über seine gesamte NBA-Karriere durchschnittlich mehr als 20 Punkte und acht Assists sammeln konnte. Trotzdem gehörten seine Mannschaften stets zu den schlechtesten der Liga. Bereits viermal wurde der gebürtige New Yorker im Tausch gegen andere Profis abgegeben, stets mit dem Effekt, dass sich sein altes Team verbesserte. Am sportlichen Tiefpunkt ist Marbury nun ausgerechnet dort angelangt, wo er aufwuchs: Die New York Knicks schickten in der vergangenen Saison ihr miesestes Team seit mehr als zwei Jahrzehnten aufs Parkett.
Jenseits des Platzes gilt Marbury trotz seiner martialischen Tätowierungen als vorbildlich. Kaum ein anderer Profi spendet so viel für wohltätige Zwecke. So bezahlt er momentan sieben Friseure, die Kindern in Coney Island einen kostenlosen Haarschnitt verpassen. Passend zu seinem Image und dem des neuen Produkts erhält Marbury kein festes Honorar für seine Dienste als Werbeträger, sondern ist nur an den Umsätzen beteiligt.
Folgerichtig vermarkten Steve & Barry’s den neuen Turnschuh als soziale Großtat: Endlich könnten sich auch Familien am unteren Rand des Einkommensspektrums Fußbekleidung in Markenqualität für ihren Nachwuchs leisten, und arme Eltern würden nicht mehr finanziell überfordert durch die Forderungen ihrer Sprösslinge, die dem Druck ihrer Peergroup erliegen. Ja, sogar der Verbrechensbekämpfung dient der „Starbury One“: Nun, da sich jeder einen schicken Schuh gönnen kann, müssten jugendliche Rohlinge nicht mehr ihren Klassenkameraden die begehrten Stücke mit Gewalt entwenden. Kurz: Der Kapitalismus setzt sich selbst außer Kraft. Aber das wäre zu schön, um wahr zu sein. Und ist auch zu kurz gedacht: Schließlich qualifiziert sich ein Konsumartikel dadurch zum Statussymbol, dass ihn sich nicht jeder leisten kann. Mithin mag der Starbury One zwar prima sein, um damit Basketball zu spielen, aber als Mittel der Distinktion taugt er kaum. THOMAS WINKLER