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american pieDeadline-Deals: Wechselfieber im Baseball

Als ginge Effenberg zur Hertha

„We were singin...“

Man stelle sich vor: Nach dem frühen Aus in Pokal und Champions League steht Bayern München wegen einer verkorksten Vorrunde auch in der Bundesliga nur auf dem 10. Tabellenplatz. Die Verantwortlichen verkünden Mitte Januar offiziell das Ende aller Meisterträume. Am 31. Januar 2001 um 15.47 Uhr, 13 Minuten bevor der DFB seine Transferliste schließt, ruft Manager Uli Hoeneß seinen Bruder Dieter an und einigt sich mit ihm, Stefan Effenberg und Bixente Lizarazu gegen Sebastian Deisler und vier hoffnungsvolle Talente aus der Amateurmannschaft der Hertha einzutauschen.

Effenberg und Lizarazu haben noch am gleichen Abend in Berlin anzutreten, wo sie in einem Pokalspiel eingesetzt werden. Die auf dem 2. Tabellenplatz liegende Hertha verstärkt sich so im Meisterschaftskampf und für das bevorstehende Uefa-Cup-Viertelfinale; die Bayern erweitern ihren Kader mit Talenten, die ihnen zukünftig wieder Erfolg bringen sollen.

Hierzulande undenkbar, sitzen in den USA die Baseballprofis am 31.Juli auf gepackten Koffern. Am Montag bis 16 Uhr New Yorker Zeit hatten die Klubs zum letzten Mal in dieser Saison Gelegenheit, neue Spieler einzukaufen. Oft versuchen Teams, die aus dem Rennen um die nur acht Play-off-Plätze sind, einen ihrer Stars loszuwerden, weil dessen Vertrag am Saisonende eh ausläuft, und dafür lieber noch ein paar junge Talente zu ergattern. So verbringen die General Manager in den Tagen vor diesem Termin traditionell manch durchwachte Nacht am Telefon und beimStudium der Kader gegnerischer Klubs und deren Farm-Teams.

Viele Deals kommen erst in letzter Minute zustande, weil bis zuletzt gepokert und gefeilscht wird. So wechselten am Montag in elf Trades noch 32 Spieler. In nur fünf Tagen vor der Deadline waren sogar insgesamt 79 Spieler zwischen 26 Teams getauscht worden. Noch mehr Wechsel allerdings werden überhaupt nicht realisiert, weil sich Klubs nicht einigen können. So blieb der mit vielen Klubs in Verbindung gebrachte Sammy Sosa, nach Mark McGwire der erfolgreichste Homerun-Schläger der letzten beiden Jahre, vorerst in Chicago bei seinen Cubs. Und auch der in diesem Jahr etwas schwächelnde Titelverteidiger New York Yankees, als reichster Klub der Liga immer im Gespräch bei prominenten Wechselwilligen, gehört ausgerechnet zu den nur vier Klubs ohne einen Deadline-Deal. Dafür hatten sie sich bereits in den Wochen zuvor mit vier neuen Spielern verstärkt. „Es war ein ziemlich cholerischer Markt“, sagt Yankee-Manager Brian Cashman nach Ablauf der Frist, „ein paar wirklich große Namen wurden gehandelt, aber ich bin zufrieden mit dem Team, das wir haben.“

Gar nicht zufrieden waren dagegen die Baltimore Orioles, die sich seit Jahren trotz einer der dicksten Gehaltslisten nur im Tabellenkeller herumtreiben. Also tauschten sie ihre gar nicht erfreuliche Gegenwart gegen eine möglicherweise hoffnungsvolle Zukunft ein: Fast ein halbes Team musste Baltimore verlassen, im Gegenzug kam ein Haufen Talente.

Ein Oriol verstärkt künftig das bislang eh schon beste Team der Saison. B. J. Surhoff, seit 14 Jahren ein verlässlicher Outfielder, spielt ab sofort für die Atlanta Braves. Der Klub von Ted Turner hat damit nach Meinung der Experten unter den Titelfavoriten wohl den besten Last-Minute-Deal gelandet.

Ein echter Konkurrent sind jetzt auch die Arizona Diamondbacks. Die sicherten sich die Dienste von Curt Schilling, der sich bei den Philadelphia Phillies als einer der härtesten Werfer und erfolgreichsten Pitcher etabliert hat. Mit ihm und Randy Johnson haben die Diamondbacks das womöglich beste Starting-Pitcher-Duo in den Major Leagues. Eine Aussicht, die den Braves, ihren direkten Konkurrenten um einen Platz in der World Series, zu denken geben wird. THOMAS WINKLER

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