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american pieDer Fall Iverson steuert glimpflichem Ende zu

Nicht der Ehemann des Jahres

Für die einen war es die Wiederkehr von O. J. Simpson, für die anderen eine sommerliche Variante der beliebten Familiendummbeutelshow „The Osbournes“. In Wirklichkeit war es wohl eher das, was der zuständige Richter am Montag so ausdrückte: „Klingt, als hätte ein Verwandter nach einer Verwandten im Haus von Verwandten gesucht.“ Weil der Verwandte aber kein gewöhnlicher Verwandter war, sondern ein berühmter Basketballstar, geriet die Sache zur gigantischen Allen-Iverson-Show.

Der 27-jährige Spieler von den Philadelphia 76ers hatte Anfang Juli seine Gattin Tawanna nachts aus dem Haus geworfen und sich später aufgemacht, sie zu suchen. Dabei war er in das Apartment eines Cousins eingedrungen und hatte die beiden dort anwesenden Personen bedroht, wobei er angeblich einen Revolver im Gürtel trug. Die Polizei ermittelte 14 Anklagepunkte gegen Iverson, der seine Frau übrigens in dieser Nacht nicht fand, sich aber kurz darauf mit ihr versöhnte.

Was folgte, war ein Medienhype erster Ordnung. Tagelang kreisten TV-Hubschrauber über dem Anwesen des Basketballers, davor campierten jede Menge Fernsehteams. Genüsslich wurde die mögliche Höchststrafe von 50 Jahren Gefängnis kolportiert, der Besuch von ein paar Freunden wurde zur rauschenden Party im Angesicht des Untergangs aufgemotzt, aufgeregt vermeldete „Blutflecken“ in Tawanna Iversons Auto entpuppten sich als Fruchtsaft, und als der Delinquent schließlich vor Gericht erscheinen musste, wartete dort eine große Menschenmenge. Kinder verkauften Getränke, es gab „Free Iverson“-T-Shirts, und Fans demonstrierten für ihr Idol. Elf Stunden musste Iverson in Polizeigewahrsam zubringen, bis die Anklage zur Anhörung weiterverwiesen wurde. Dabei ließ der Richter am Montag nach schwammigen Zeugenaussagen 12 der 14 Anklagepunkte fallen, bestehen blieben zwei mindere Fälle von „terroristischer Drohung“. Ein Erfolg der teuren Anwaltsriege Iversons, meist wird die Anklage bei derartigen Hearings locker durchgewunken.

Für Allen Iverson war die peinliche Affäre der Höhepunkt eines wenig erfreulichen Jahres. 2001 war er noch zum besten Spieler der NBA gewählt worden und ins Finale gegen die Los Angeles Lakers vorgedrungen. In der letzten Saison gewann Philadelphia jedoch nur 43 Spiele, schied in der ersten Playoff-Runde gegen Boston aus, und Iverson selbst konnte, durch Verletzungen gebremst, nur selten seine einzigartigen Fähigkeiten aufblitzen lassen. Dass die 76ers den skandalträchtigen Star, der mit Coach Larry Brown eine Dauerfehde unterhält, abgeben könnten, halten Insider jedoch für „so wahrscheinlich wie seine Wahl zum Ehemann des Jahres“ (Sports Illustrated). Kaum ein Spieler könnte ihn ersetzen, und die Fans würden seine Vertreibung trotz aller Eskapaden nicht verzeihen. Vor allem dank Iverson kamen zu jedem Heimspiel mehr als 20.000 Zuschauer, das Trikot mit seinem Namen gehört zu den Topsellern in der Liga, die Sportartikelfirma Reebok hat den Vertrag mit ihm kürzlich verlängert – auf Lebenszeit. MATTI LIESKE

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