america: wurst und baseball von IRA STRÜBEL:
Wurst war mir schon immer suspekt. Meine Mutter, die viele Jahre und Fingerkuppen an der Fleischwarentheke eines Supermarktes verlor, klärte mich schon in jungen Jahren auf, wie es um die Qualität von Wurst bestellt ist. Schnäbel. Klauen. Hufe. Nein, Wurst ist wirklich nichts für mich und nicht vertrauenswürdig.
Auch Sport war nie meins. Nicht, dass ich es nicht versucht hätte. Ich wusste auch, wie es aussehen sollte. Aber mein Körper versagte stets die Umsetzung der Bewegungsabläufe.
Man kann sich also vorstellen, wie begeistert ich war, als ich kürzlich – während einer Geschäftsreise in die Eingeweide der USA – zu einem Baseball-Spiel eingeladen wurde. Baseball! Langweiligste aller Sportarten, gäbe es nicht Golf! Hurra! Ich konnte es kaum erwarten.
Der Abend kam, und durch die Barbecue-Schwaden des Parkplatzes näherten wir uns dem Miller Park Stadion von Milwaukee. Dessen Dachkonstruktion ist höchst imposant, denn bei der Montage mussten Menschen sterben. Trotzdem herrschte Partystimmung. Kein Wunder, denn während Fußball oft zu Unrecht als schönste Nebensache der Welt geschmäht wird, trifft diese Aussage bei Baseball wirklich zu: es gibt Bier, man hat viel Zeit, sich zu unterhalten, und wenn man auf Klo muss, ist das auch nicht tragisch. Nicht wie beim Fußball, wo immer dann ein Tor fällt, wenn man gerade pinkeln ist.
Weil Baseball aber von solch nebensächlicher Wesenheit ist, werden allerlei Extras geboten. Etwa kollektives Hymnenkaraoke: Eine Sängerin intoniert den Schmusehit „The star-spangled Banner“. Auf der Anzeigentafel wird der Text eingeblendet. Man steht auf, hält die Hand auf die Leber – 80 Prozent aller Amerikaner wissen anscheinend nicht, wo das Herz sitzt – und singt mit. Ich indes sang nicht, weil das Silbenbällchen fehlte, das beim Karaoke sonst den Weg weist. Merkte aber keiner. Dann ging es los.
Vom Spiel bekam ich nicht viel mit, weil ich mir ständig die Regeln noch mal erklären ließ. Immer wenn ich hinschaute, war aber selbst mir klar, dass die Mannschaft, für die wir waren, konsequent abkackte.
Irgendwann kam der heimliche Höhepunkt des Abends, und der riss mich mit wie ein Klettverschluss eine Feinstrumpfhose: das Sausage Race! Ein Rennen. Vier Menschen. In Wurstkostümen. Es ging um die Ehre. Es ging um die Wurst!
Am Start: eine Debrecziner, ein italienisches Würstl, noch eines, wohl staatenlos – und: The German Bratwurst! Der Startschuss fiel. Auf der Geraden ging die Bratwurst in Führung. Wir jubelten. Heimatwurst, du stolze Wurst! Für einen Moment schien die Bratwurst uneinholbar, der Sieg unser. Dann kam das Italian Sausage von hinten und – empörend! – setzte Ellenbogen ein. Die Bratwurst taumelte, fiel zurück. Die Camorra-Cabanossi gewann! Ein schmutziger Sieg!
Wir waren am Boden zerstört. Gott sei Dank gab es noch Getränke und Essen. So trösteten wir uns mit Bier und aßen die nutzlose Bratwurst. Und fühlten uns am Ende doch wie zu Hause. Ich aber werde künftig wirklich zweimal überlegen, ob ich noch mal italienisch esse. Also ehrlich!
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