alle für den frieden (10) : Medizinstudenten auf der Straße
Die Leichenzeichner
500.000 Teilnehmer auf der Demo gegen einen neuen Krieg am Golf. Die ganze Nation eine Friedensbewegung? Die taz stellt täglich vor, wer sich so rührt.
Auf der Warschauer Brücke in Friedrichshain oder am Zugang zur U 2 am Potsdamer Platz findet man derzeit Leichen-Umrisse auf den Boden gemalt. Doch weder „Polizeiruf 110“ noch „Tatort“ sind der Grund dafür. Angehende Mediziner protestieren gegen einen Angriff auf den Irak. Rund 20 Medizinstudenten, Jungmitglieder der Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW), ziehen seit einer Woche durch die Stadt und warnen vor zivilen Opfern. Ein Student legt sich auf den dauergefrorenen Boden, sein Kommilitone umfährt die „Leiche“ mit Kreide. In die Umrisse schreiben sie Namen von möglichen zivilen Opfern des drohenden Krieges, etwa „Lehrer, Basra, 51 Jahre“. Auslöser für die stadtweite Malaktion der 20 angehenden Ärzte war der Dokumentarfilm „Die Kinder von Bagdad“, den die Studenten im November auf dem Bundestreffen des IPPNW-Nachwuchs sahen. Das Leichenschauspiel haben sie seitdem geübt. Die erste Aktion führte sie gemeinsam mit ihrer Dachorganisation Ende Januar vor die US-Botschaft. Dort legten sie sich in Leichensäcke, ebenfalls um auf die zivilen Opfer eines Krieges hinzuweisen. Bleibt die Frage: Was hat die längere Halbwertszeit? Die am Wochenende so fulminant wiedererwachte Friedensbewegung der Achtzigerjahre oder die Kreidekringel der Folgegeneration? CHT
Morgen: Pax vobiscum – Katholiken und „gerechter Krieg“