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Archiv-Artikel

agenda 2010 Privatkultur. Zutritt verboten

PETER ORTMANN ist Kulturchef der taz nrw. Sein biologisches Alter ist Privatsache.

I‘m your private dancer

a dancer for money

I‘ll do you what you want me to do

(Anna Mae Bullock)

Die schönsten Orte sind meistens in Privatbesitz. Durch Ausbeutung oder qua Geburt hocken dort die Mächtigen der Welt und genießen. Normalsterbliche stehen vor elektrischen Zäunen oder Stacheldraht bewehrten Mauern und schauen blöd aus der Wäsche. „Papa, warum können wir da nicht an den schönen See?“ – „Tja mein Kind, rundherum wohnen viele nette Menschen und ich habe leider meine Knarre zu Hause gelassen.“ Kurzer Wutanfall über den hässlichen Erklärungsnotstand: „Was ist eine Knarre, Papa?“ Also wurde der Buggy damals schnell weiter geschoben, das quengelige Töchterlein mit einer Banane beruhigt – die militanten Umverteilungspläne wollten aber nicht verschwinden.

Auch die schönsten Kunstwerke sind meistens in Privatbesitz. Sie erfreuen die Mächtigen der Welt oder der gewöhnliche Liebhaber zahlt Eintritt für ihren Anblick – natürlich auch, wenn sie mit seinen Steuergeldern bezahlt wurden. Privatisiert wird heute eben alles, womit sich etwas verdienen lässt. Um den Rest soll sich die Bevölkerung gefälligst selber kümmern. Militante Umverteilung und Steuergelder machen nur einen kleinen Bogen und da sind wir auch schon beim eigentlichen Thema – der Europäischen Kulturhauptstadt 2010. Kein Aprilscherz. Die Steuergelder, mit denen das Marketing-Spektakel veranstaltet wird, werden für Kulturschaffende nämlich nur virtuell verwendet, die Fördermittel der Sponsoren sowieso.

Die Region befindet sich ab sofort kulturell in den Krallen von heimlichen Wirtschaftsförderern, die mit einer neuen Werbemasche weiche Standortfaktoren verbessern wollen. Kreativ-Wirtschaft bedeutet nicht, dass Kunstschaffende hier eine nachhaltige Existenz bekommen, sondern, dass sie dazu beitragen, damit sich die Mächtigen der Welt hier ein bisschen wohler fühlen und bleiben oder noch besser, kommen – mit elektrischen Zäunen und Stacheldraht bewehrten Mauern an den schönsten Plätzen zwischen Ruhr und Emscher. Wandel durch Kultur mit einem ganz neuer Aspekt. Gesucht wird jetzt frisches Blut, das auch Miete zahlen kann. Freischaffende Künstler vor Ort können das nämlich nicht. Die guten werden aus dieser Region weiter abwandern, in die richtigen europäischen Metropolen. Und in den 53 verarmten Kommunen wird das auch niemanden kümmern. Dies beweisen aktuelle Aussagen. Das Börsenspiel Kulturhauptstadt werden andere gewinnen. Diejenigen, die jetzt die Kultur privatisieren wollen. Das ist Kultur durch Wandel, die aber nur wenigen nützt. Ich beruhige mich mit einer Banane. Erst einmal.

PETER ORTMANN