afghanistan-einsatz : Zögern ist gefährlich
Nur zögerlich prüft die Bundesregierung, ob sie den Bundeswehreinsatz in Afghanistan erweitern und zusätzlich etwa 200 deutsche Soldaten nach Afghanistan schicken soll. Die sollen, so wollen es der afghanische Präsident Karsai, UN-Generalsekretär Kofi Annan und neuerdings auch die US-Regierung, in einer Provinzhauptstadt Sicherungsaufgaben übernehmen. Dort sollen die deutschen Soldaten die deutsche Wiederaufbauhilfe, aber auch UNO-Mitarbeiter absichern. Die UNO hat dort ab Herbst etwa zehn Millionen Afghaninnen und Afghanen als Wähler zu registrieren, auch in den entlegensten Gegenden.
Kommentar von JAN HELLER
Die Begründung der zögernden Bundeswehrkommandeure, die nach Afghanistan gefahren waren, lautet: Der Einsatz ist zu gefährlich. Verbliebene Taliban weiten ihren Terror weiter aus, fast wöchentlich gibt es Meldungen über Anschläge. Auch deutsche Soldaten könnten zu Zielen werden. Ein Provinzgouverneur behauptet, er könne die Sicherheit der Bundeswehrsoldaten nicht garantieren. Seine Besorgnis hat zwar einen anderen Hintergrund: Er will keine auswärtigen Truppen in seiner Region, weil er fürchtet, unter ihren Augen könnte sein Regime ein Ende finden. Doch als sicherer Standort bleibt laut dem Bericht der Bundeswehrmission nur die Stadt Tscharikar übrig, weil sie schön nahe bei Kabul liegt. Die Bundeswehr spielt verkehrte Welt – denn das größte Sicherheitsrisiko tragen in Afghanistan immer noch die Einheimischen.
Auch hört sich die Lage gefährlicher an, als sie ist. In Afghanistan herrscht kein Krieg wie in Liberia. Die Taliban-Aktionen sind isolierte Zwischenfälle in einem politischen Vakuum. Die Bevölkerung unterstützt sie nicht, ist aber unsicher, denn vielerorts gibt es keinerlei Sicherheitspräsenz. Da können zehn Taliban eine Menge anrichten. Berichte aus Provinzen wie Bamian oder Paktia belegen, dass ein einziges afghanisches Bataillon dort für Ruhe sorgte. Doch die neue Polizei und Armee sind noch nicht in der Lage, das ganze Land abzudecken. Da könnten ein paar gut bewaffnete ausländische Soldaten viel ändern.
Die Bundesregierung hat sich entschieden, den Friedensprozess in Afghanistan zu unterstützen. Sie organisierte die Petersberg-Konferenz 2001, die den Friedensprozess in Gang setzte; finanzierte 2002 die Loja Dschirga mit und übernahm zeitweilig das Kommando über die Sicherheitstruppe Isaf. Jetzt darf sie sich keine Halbheiten leisten. Die Entscheidung liegt bei ihr.
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