: abwehr & vorurteile
Die Anderen und Wir
Oft sind sie nur schwer von gewöhnlichen Vorurteilen zu trennen, manchmal sind sie aus der langen gemeinsamen Geschichte von Orient und Okzident hervorgegangen – die Ressentiments der islamischen Welt dem Westen gegenüber. Sie lassen sich in Zeitungsartikeln finden, werden in Internetchatrooms weitergegeben, machen in Klassenzimmern die Runde. In der muslimischen Welt, aber auch in Europa.
Ein Beispiel ist das Bild von westlichen Frauen und der Sexualität im Westen. Während auf der anderen Seite Schleierträgerinnen als lustfeindlich aufgefasst werden, gelten freizügig gekleidete Frauen vielen Muslimen als unmoralisch und unzüchtig. Männer, die gegenüber „ihren“ Frauen wenig dominant sind, haben keine Ehre. Moralisch einwandfreie Beziehungen zwischen den Geschlechtern, glauben auch viele junge Muslime, sind nur unter MuslimInnen denkbar – die die beste aller Gemeinschaften bilden.
Einen kulturellen Hintergrund hat ein anderes Ressentiment: das dem verklemmten, unlockeren Europäer gegenüber. Westler sind steif, können nichts sinnlich genießen, heißt es. Sie könnten nur schwer mit Einladungen oder spontanen Besuchen umgehen, mögen kein Essen teilen. Es mache keinen Spaß, mit ihnen umzugehen. „Diese Kartoffeln lachen einfach nicht“, beklagte kürzlich ein Teilnehmer in einem muslimischen Internetforum.
Von den geschichtlichen Erfahrungen der Kolonialisierung und der Integration sind Ressentiments wie jenes geprägt, das besagt: „Der Westen will uns nicht verstehen.“ Europäer geben sich keine Mühe, andere Wertvorstellungen nachzuvollziehen, glauben viele in der islamischen Welt. Stattdessen seien sie zutiefst von der letztgültigen Wahrheit ihrer eigenen Ansichten überzeugt. Vertrauen sollte man dem Westen wegen seines Hangs zum Heucheln besser nicht.
YASSIN MUSHARBASH
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