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abriss der platteReden bis der Bagger kommt

Die Leerstands- und Abrissdebatte über Plattenbauten, sagte einmal ein ostdeutscher Politiker, sei nichts anderes als die kapitalistische Strategie zur Belegung von freien privaten Innenstadtwohnungen. Das ist sicher wahr und viele ostdeutsche Mieter schwören auf die Richtigkeit des Satzes. Mit dem eigentlichen Problem indes hat die ideologisch eingefärbte Rettung der ungeliebten Betonmonster des sozialistischen Städtebaus nichts zu tun. Mehr noch. Sie verstellt mögliche Lösungen.

Kommentar von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Ebenso stur wie durch die Ostbrille hat auch das Land jahrelang auf die Plattenbauten mit Scheuklappen geblickt und versucht, das Problem des Leerstands klein zu halten. In die Sanierungen der Plattengewitter am Ostrand wurden Milliarden gesteckt. Um Bewohner zu halten, wurden gar Mieten reduziert. Seit 1990 verhübscht man die Fassaden, die Grünanlagen und baut Spielplätze. Schlecht war und ist das nicht. Ausreichend, um Bewohnerwünsche nach mehr Qualität, mehr Urbanität und Heimat zu befriedigen, dürfte dies kaum gewesen sein, laufen den Platten doch die Menschen weg – und die Bagger sollen’s richten.

Dass heute, zehn Jahre nach dem Beginn der Plattenbaudebatte, wohl kein anderes Konzept als der Abriss oder die unbezahlbar teure Sanierung auf dem Tisch liegt, ist dem Tabu geschuldet, Großsiedlungen für sakrosankt zu erklären. Einen Gefallen hat man den Bewohnern ebenso wie den städtebaulichen Problemen damit nicht getan, wurde doch über Jahre die Chance verspielt, sich allen Perspektiven zu öffnen. Wenn jetzt über das Image, neue Grundrisse, Eigentumsfragen oder Abrisse, Arbeitsplätze und Neubauten nachgedacht wird, darf man fragen: Worüber hat man zehn Jahre lang geredet?

Es ist zugleich kein Geheimnis, dass der Bauverwaltung die Entwicklung der Innenstadt (siehe Planwerk) mehr am Herzen liegt als alles andere. Als Mittel zum Stopp der Umlandwanderung hat es bisher versagt. Dass es die Plattenbewohner genau dorthin zieht, kommt einem doppelten Fauxpas gleich.

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