piwik no script img

abgekühltJe mehr die Stadt wächst, desto kleiner die Schwimmbäder

Nach mehreren Versuchen und mit Hilfe der Kreditkarte eines Bekannten gelang es der Autorin, ein Ticket für das neue Freibad Rahlstedt zu buchen, und zwar für Dienstag 15 bis 19 Uhr. An dem Tag herrschen 28 Grad im Schatten. Und die jungen Menschen, die Ferien haben und auf Rahlstedts Wegen gehen, scheinen in der Hitze zu schleichen.

Doch die Kids einfach mal ins neue Bad zu locken, das hier zentral neben der Polizeiwache liegt, geht nicht. Wegen Corona sind nur 120 Leute erlaubt. Das Bad ist ausgebucht wirkt auch gut gefüllt. Es gibt ein Becken, zehn mal 25 Meter zum Schwimmen und Plantschen. In der Mitte ist mit Ketten die „Tempobahn“ abgetrennt. Links und rechts davon wird Wasserball gespielt, bringen Eltern ihren Kindern Schwimmen bei, spielt ein Junge Spritzfontäne mit einer Flasche. Ein anderer taucht unter die „Tempobahn“, eine Mutter tritt die Autorin ins Bein, ein Schnellkrauler spritzt ihr Wasser ins Gesicht.

„Nutzerkonflikt“ heißt so was. Mathe spielt auch eine Rolle. Die alten Freibäder mit 50-Meter-Becken und eigenem Nichtschwimmer wie das Kaifu-Bad haben während Corona über 700 buchbare Plätze. Fünfmal mehr als die 120 für dieses Bad in Rahlstedt, Hamburgs einwohnerreichstem Stadtteil.

Nur gut zwei Kilometer entfernt wurde gerade das Freibad am Wiesenredder abgerissen. Es war sonst immer Treff der Jugend und Familien zur Hitzezeit. Dort entstehen Wohnungen. Hamburg wächst, die Bäder schrumpfen. Auch das Aschbergbad ist weg.

Abends nach dem nach 20 von 40 geplanten Bahnen abgebrochenen Besuch überlegt die Autorin, dass sie für jedes seit den 1980ern abgerissene Freibad einen verantwortlichen Senatoren in diese neue Rahlstedt-Badewanne locken und ihn kurz unterduckern will. Tut sie natürlich nicht. Als Althamburgerin vermisst sie mit Lattenkamp, Dulsberg, Ohlsdorf, Wiesenredder und Aschberg fünf Bäder.

Die Bäderlandfirma stellt andere Betrachtungen an: Das alte Bad sei kalt und nicht unter Wasser beleuchtbar gewesen. Jenes neue in Rahlstedt sei beheizt und könne nicht bloß 50 Tage im Jahr, sondern durchgängig genutzt werden, auch noch abends im Herbst – also mehr Schwimmzeit auf lange Sicht.

Und ein Ticket könne man auch an der Kasse spontan kaufen. Sollte ein Zeitfenster ausverkauft sein, würden neue Karten verkauft, sobald Gäste das Bad wieder verlassen. Also kann man es auf gut Glück versuchen.

Ausgesöhnt mit der Bäderpolitik ist die Autorin darum allerdings noch lange nicht. Für Hitzetage braucht die Stadt nämlich Freibäder. Soll die Bevölkerung auf zwei Millionen wachsen, müssen es mehr werden und nicht weniger. Wer die Stadt verdichtet, der muss auch in allen Quartieren für Abkühlung sorgen. Kaija Kutter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen