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Zwischen den RillenT-Shirt, ich liebe mich

■ Daumenschrauben der Uncoolness: Tilman Rossmy, Monostars, Samba

Aus der Reihe: Platten, die uns irgendwie ängstigen. Tilman Rossmys Solodebüt „Willkommenen zuhause“ war schon im letzten Jahr das Album, bei dem alle sich wanden, huch, was dassen, janeinweißnicht, und selbst gute Freunde sich von dir abwenden konnten, wenn du ihnen Stücke wie „Ulrike, eine Lektion mehr in Liebe“ oder „Ich geh' den Herzweg“ ohne distanzierenden Kommentar vorspieltest.

Rossmy allerdings scheint das gerade zu gefallen. Auf der neuen CD „Selbst“ dreht er die Daumenschrauben der Uncoolness noch weiter an. Das Cover zeigt ihn als fäusteballenden Ruhrgebiets-Boy, der sein Schicksal zwingt – mach meinen Kumpel nich' an, oder was? Es geht schon manchmal ins Müllerwesternhagenhafte, wenn der essenstämmige Wahlhamburger Rossmy zu vollfetten Arrangements (Country, Chris-Isaac-Schnulzen, sogar Reggae!) „das Licht in deinen Augen“ gesehen haben will oder „dieses wilde gute Leben“ ganz einfach nur gut findet; und an besonders dramatischen Stellen in die rauchzarte Sprechstimme verfällt, wie wir Älteren sie von Lee Marvin oder Camillo Felgen kennen.

Aber dann sind es doch wieder nur die traurigeren Allerweltsgedanken, wie sie einem im „Zug nach Lübeck“ (Songtitel) so einfallen können. Rossmys Lieder klingen, als hätte er in psychologischen Ratgebern aus dem Knaur- Verlag geblättert, dort aber die tiefsten und letzten Weisheiten der Menschheit gefunden: daß nämlich die Liebe im Leben wie die Liebe zur Welt ist, damit aber die Liebe zu sich selbst; daß Liebe Arbeit macht, aber auch reichen Lohn bereithält; daß Wittgenstein lesen letztlich auch nichts nützt, der Mensch aber trotzdem was denken muß, denn: „Hab' ich keine eigene Philosophie / bin ich immer das Opfer einer anderen Philosophie / Und welche das is' / Weiß ich dann nich'.“

Wahr oder weia? Du mußt es am Ende erneut mit deiner Konstitution und Tagesform abmachen. Ein Draußen gibt es nicht. Es gibt nur cool und uncool und wie man sich fühlt.

„Das einzige Idyll, das ich finden kann, ist das, das ich mir selber schaffe“ – so kann man es natürlich auch ausdrücken. „Tolle Frisur“, „Musik und Freizeit“ oder „Planet der Affen“ heißen die Stücke der Monostars aus München. In Sounds handgeknüpfter, kuscheltierwarmer Fluffigkeit entfaltet sich ein Mikrokosmos nachjugendlicher Verwirrung und Moralität, bohrende Selbstbefragung ebenso inklusive wie kleine, scharfe, aus dem Leben gegriffene Beobachtungen hinsichtlich der üblichen Verdächtigen am Tresen des „kleinen Cafés“, an dem allabendlich ohne besonders viel Freude der Tag vertrunken wird: „Der Typ vom Jugendmagazin / schmiedet Weltverschwörungstheorien / Partyszene, Politik / wir glauben noch an Popmusik.“

Das merkt man „In Zeitlupe“ auch an. Die gerade im Süddeutschen gepflegte Geste der zweckfreien Liebhaberei ermöglicht einen Mehrwert hinsichtlich Melodieführung, Arrangement und wirklich sehr liebevoller Ausstattung des Gesamtklangbilds, ist aber natürlich zugleich Teil des Problems, als dessen Lösung sie daherkommt. „Zeig mir die Richtung / und ich ändere die Richtung“ – weil das nicht klappt, macht man sich's eben kammermusikalisch in seiner eigenen Tristesse gemütlich: Immer noch besser als der traurige Rest.

Wie schwierig es tatsächlich geworden ist, auf diesem Angst- Pop-Terrain die Guten, die Bösen und die Ehrlichen auseinanderzuhalten, läßt sich an einer Band wie Samba studieren. Keiner mag sie, alle halten sie für Tocotronic-Klone, die es nur auf die Heavy Rotation bei Viva abgesehen haben. Sie kommen aus dem Nichts irgendeiner Provinz, im Gepäck ein paar verlärmte Stücke wie „T-Shirt, ich liebe mich“, „Mir, wo die Blumen sind“ oder „Bundeswehrschlafsack“, und benehmen sich wie ungeliebte, verquengelte jüngere Brüder. Nichts kann sie stoppen. „Eigentlich wollt ich schon weg sein / aber ich bin immer noch da“, heißt es im Titel „Sommerhit“, das Schlagzeug pocht, und es klingt todtraurig und berechnend zugleich.

Dürfen die das? Und ist das nicht ganz schön unpolitisch? Samba ist die Band, bei der der Selbsthaß, der im weißen mittelständischen Lebenlein steckt (nie was los hier!), am einfachsten von der Leine zu lassen und gegen das Objekt zu kehren wäre. Dabei führen auch sie nur, vielleicht mit etwas weniger Talent und Finesse, fort, was andere unter günstigeren Umständen begonnen. Was machen eigentlich derzeit Blumfeld? Thomas Groß

Tilman Rossmy: „Selbst“ (L'Age D'Or/Rough Trade)

Monostars: „In Zeitlupe“ (Veracity/EFA)

Samba: „t.b.a.“ (Epic/Sony)

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