Zwischen den Rillen: Science droppen
■ Geben sich den Text: Rakim (ohne Eric B.) und schon wieder Busta Rhymes
Zurück in den goldenen Tagen des HipHop, den späten Achtzigern und frühen Neunzigern, galt das Wort noch etwas. Die Scheiße rappen, wie sie läuft, war die Devise der New School des HipHop. Sich darüber bewußt sein, woher man kam, wo man stand und was man wollte.
Eric B. & Rakim waren die Ikonen dieser Bewegung. Als sie sich für das Cover ihrer Platte „Follow the leader“ auf die Motorhaube eines Rolls- Royce setzten, gekleidet in Fake-Chanel-Klamotten mit ihrem Namen auf dem Rücken und Goldketten um den Hals, war das mehr als nur die Pose, bezahlt worden zu sein. Es war ein Statement. Hier ging es um HipHop als Lebensentwurf, um Jive zum Anziehen. Kurz: um Streetstyle, gepaart mit Eleganz.
Und so rappte Rakim auch. Anders als die eher lauten Rapper wie KRS-One oder Schooly D. war er introvertiert, melodiös und doch streetwise. Er verband lakonische Geschichten mit Alltagsweisheiten, war conscious, ohne den Zeigefinger zu heben, zitierte sich selbst und spannte so ein Netz von Bedeutungen, prägte Parolen wie sonst nur Chuck D. Wenn je ein Rapper science droppte, wie es so schön heißt, dann Rakim.
Das ist alles eine ganze Weile her, und heute, fünf Jahre nach der letzten Platte, meldet sich das R nun mit „The 18th Letter“ zurück: doch nichts ist mehr, wie es war. In der neuen HipHop- Weltordnung ist Glamour wichtiger als Eleganz. Auch das Wort ist nach Gangsta-Rap nur noch mit Vorsicht zu genießen – hört man zu genau hin, erlebt man zu oft die eine oder andere unliebsame Überraschung. Doch vor allem: Rakim geht solo. Kein Eric B. on the cut mehr.
Mit DJ Premier und DJ Clark Kent hat Rakim zwar zwei neue Produzenten, die ihm noch am ehesten so etwas wie einen New-School-Flavor in die Beats legen können, doch auf der Höhe der Zeit ist er damit nicht, und zeitlos wie das Comeback- Album von EPMD ist „The 18th Letter“ auch nicht.
Zwar samplen und scratchen sich die beiden Produzenten in bester Eric B.-Manier durch die Ruinen der vergangen Alben, doch ohne die alten Parolen noch einmal reaktivieren zu können: wo früher aus dem Nebensatz eines Stücks neue Platten entstanden, klingt es heute mehr nach einem Zitat aus vergangenen Zeiten. Eric B. war eben doch President. Und so hört sich das Ganze mehr nach dem mühevollen Beschwören der alten Eastcoast-Tugenden an als nach dem großen Wurf, der HipHop wieder den Respekt vor den lyrical skills zurückgeben sollte.
Ganz scheint Rakim seiner Comeback-Platte selbst nicht über den Weg zu trauen, denn warum sonst ist mit „The book of Life“ eine zweite CD beigefügt, die von „Paid In Full“ über „Follow The Leader“ und „Let The Rhythm Hit'Em“ bis zu „Casualties Of War“ noch einmal alle Hits versammelt.
Auch Busta Rhymes ist schon ein paar Tage länger dabei. Auch er meldete sich zu New-School-Zeiten schon zu Wort, doch obwohl seine Gruppe sich Leaders of the New School nannte, wollten damals nicht allzu viele ihre Lieder hören. Zu hermetisch, vulgo: versponnen ließ sich das an. Zwar bekamen sie von überall her mächtig Respect, doch in Verkaufszahlen war das nicht konvertierbar.
Doch das ist für Busta Rhymes Schnee von gestern. Seit er sich mit der Flipmode Squad eine neue Posse zusammengesucht hat und mit „Wooha! (Got You All In Check)“ einen der größten Raphits landete, kommt kaum eine Gruppe mehr ohne eine Gastperformance von ihm aus. Busta Rhymes ist der Mann der Stunde. Und nicht nur das: mit seiner Art, in Videos der Kamera immer direkt an die Linse zu springen, sich dann wieder zurückzuziehen, um dann wieder nahezukommen, hat er eine neue Videoästhetik begründet, der man ob ihrer allgemeinen Verbreitung mittlerweile kaum noch entkommt.
Grund genug also, gelassen in die Zukunft zu blicken, zumal der Blaxploitation- und Black- Comedy-Star Dolemite im Intro von „When Disaster Strikes“ ihm seinen Segen mit auf den Weg des Erfolgs gibt. Doch Unheil droht. Was es damit genau auf sich hat, ist nicht so ganz klar, nur daß es kommt, ist gewiß: und zwar zur Jahrtausendwende.
Und so dreht sich „When Disasters Strikes“ im wesentlichen darum, was Busta Rhymes und seine Kumpels von der Flipmode Squad alles machen, bevor das Unheil zugeschlagen hat, und was sie hoffen, auch danach noch tun zu können. Abhängen, einen durchziehen, sich einen blasen lassen, dabei telefonieren, im Club oder auf der Straße Ärger bekommen und vor allem: sich die ganze Zeit den Text geben.
Musikalisch ist die Platte dabei äußerst vielseitig. Mal kommt sie eher minimalistisch daher, mal eher fett, mal tönt es etwas ruhiger, mal ist es wild. Und das vor allem: Überall, wo bei Rakim Zurückhaltung regiert, dreht Busta Rhymes auf. Wo Rakim für Coolness stand, steht Busta Rhymes für den unkontrollierbaren Irrsinn. Und es funktioniert. Ob als Schreien, als Kreischen, als Hochgeschwindigkeits-Rhyme oder als ruhiger Gesang knapp neben der Spur – Busta Rhymes definiert einen eigenen Stil. Und der ist zwar alles andere als elegant, doch das ist auch keine Forderung der Stunde. Tobias Rapp
Rakim: „The 18th Letter/The Book of Life“ (Universal)
Busta Rhymes: „When Disaster Strikes“ (Eastwest)
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