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Zwischen den RillenFight for your right to Kuschelrock

■ In und out of Africa: Weltmusikalisches von Ismael Lo und Salif Keita

Ismael Lo gilt als der Bob Dylan des Senegal. Böse Zungen behaupten allerdings, die Bezeichnung „Engelbert des Senegal“ sei zutreffender. Sicher ist, daß der 40jährige Sänger nicht nur zu Hause, sondern inzwischen auch in Frankreich zu den ganz Großen zählt. Rechtzeitig zu seinem runden Geburtstag hat er sich nun ein Album mit einem Querschnitt seines bisherigen Schaffens gegönnt.

13 Stücke, hauptsächlich seinen letzten beiden Alben „Tajabone“ und „Iso“ entnommen, davon einige neu abgemischt, sowie einige neue Songs. Genaugenommen also ein Querschnitt der letzten sieben Jahre, in denen er in Europa hat Fuß fassen können – und damit auch das Dokument einer gelungenen Anpassung an den französischen Popgeschmack.

In Nigeria geboren, in der Nähe von Dakar aufgewachsen, brachte Lo sich selbst das Spiel auf Gitarre und Harmonika bei. Als Anschauungsmaterial diente ihm, so heißt es, die beachtliche Sammlung des Vaters, der Platten von Otis Redding, Wilson Pickett und Jimi Hendrix sein eigen nannte. In den Achtzigern verbündete er sich sechs Alben lang mit der Gruppe Super Diamono, die er in Gambia traf, bevor er sich wieder selbständig machte. Irgendwo zwischen heimischem Mbalax und Folk, zwischen Mandingo-Gesang und souligem Blues hat er dabei einen Mittelweg gefunden. Als Protestsänger sieht sich Lo freilich nicht, auch wenn es sein Spitzname nahelegt und auch wenn er das ein oder andere Statement in seinem senegalesischen Wohlklang verpackt. Auf „Raciste“ singt er: „Hast du jemals weißes Blut gesehen? Hast du jemals schwarzes Blut gesehen?“ Gewiß, ein Gemeinplatz. Gerade an solchen Beispielen fällt auf, wie wenig kontemporärer, afrikanischer Pop konkrete politische Fragen, etwa die gegenwärtigen Greuel des Kontinents von Ruanda bis Zaire, verhandelt. Das hat möglicherweise etwas damit zu tun, daß afrikanische Musiker in Paris mittlerweile ebenso zu Hause sind wie im eigenen Land. Oder aber damit, daß sie als erfolgreiche Musiker durchaus zu den Etablierten gehören. Seit Ismael Lo 1990 in Frankreich seinen ersten Major-Vertrag ergatterte, ließ sich die zunehmende Kommerzialisierung seiner Musik wie die Jahresringe an einem Baum ablesen. Auf „Jammu Africa“ ist das gerade den neuen Kompositionen anzumerken, von denen kaum eine den ungezwungenen Charme seiner frühen Lieder erreicht. Schlimmer: wenn das Titelstück mit schwerem Trommelschlag und akustischem Gitarrengeklimper den Boden bereitet, auf dem sich Ismael Los leuchtend helle Stimme entfaltet, lauert das folkloristische Afrika- Klischee schon im Busch. Der überzeugendste Song auf dem Sampler, das raffiniert tänzelnde „Sophia“, ist nicht zufällig einer seiner ältesten. Neu eingespielt, schmecken aber auch manche seiner Klassiker nun einen Löffel zu süßlich. Und im Hintergrund von „Nabou“ säuseln die Chöre wie einst bei Lionel Ritchie – eine eingängige Schmuseballade, die auf jedem Kuschelrocksampler mühelos Platz finden würde.

Den Höhepunkt dieser „Best of“-Sammlung bildet natürlich das kalkuliert dissonante „Women without blame“ (eine Neuauflage von „La femme sans haine“, dessen Zeilen vom Schriftsteller Etienne Roda- Gil stammen) als Duett mit Marianne Faithfull. Eine Kombination nicht ohne Reiz und vom selben Kaliber wie einst Joe Cocker und Jennifer Warnes: hier wie dort ein von den Unwägbarkeiten des Lebens gekennzeichnetes Kneipentimbre und ein unverbrauchtes, glockenhell tönendes Stimmchen, die sich auf dem festen Boden eines sicheren Hits begegnen – nur mit vertauschten Rollen eben.

Das Treffen hat natürlich die Plattenfirma arrangiert, die internationalen Verkaufschancen fest im Auge, weswegen wohl auf France Gall, die zunächst im Gespräch war, letztlich verzichtet wurde.

Weniger bewandert in solchen Vermarktungsstrategien scheint Salif Keita zu sein. Von ihm heißt es, seine Aufnahmen französischer Chansons hätten in Frankreich zunächst keine Plattenfirma interessiert. Dabei liegt bei „Sosie“ der Gedanke nahe, hier handle es sich gewissermaßen um einen Akt vorauseilender Überanpassung. Oder: die Platte müsse als ironischer Kommentar zur geltenden 40-Prozent-Radioquote für das frankophone Chanson gelesen werden.

Nichts davon ist richtig: Mit afrikanischen Musikern und Instrumenten wie Kora und Balafon verfremdet Salif Keita, der Albino-Sänger aus Mali, die bekannten Chanson-Standards und macht damit den Anspruch, indigene Klänge seien im Zeichen der Weltmusik universell verfügbares Rohmaterial, auch einmal in umgekehrter Richtung geltend – eine Einstellung, mit der sich der ewige Außenseiter allerdings zwischen alle Stühle setzt. Auch wenn das Ergebnis teilweise weit weniger originell klingt als die Idee, weil manch unerträgliche Rockgitarre ausgefahren wird – der Versuch zählt. Ismael Lo hingegen paßt gerade mit seinem afrikanischem Konsenspop ebenso ins Vorprogramm der Chanteuse Jane Birkin wie in den Soundtrack eines Zeichentrickfilms („Samba et Leuk le Lièvre“), und werbespotkompatibel ist dieser Ethno-Mainstream ohnehin. Es ist die Musik, die man hören möchte, wenn die Sonne abends am Hotelstrand im Ozean versinkt. Daniel Bax

Ismael Lo: „Jammu Africa“ (Polygram)

Salif Keita: „Sosie“ (TIS)

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