■ Filmstarts à la carte
: Zwischen Sex und Suppendose

Ihre Bluse läßt die atemberaubende Blondine halb offenstehen; der schwarze BH steht ihr fraglos ausgezeichnet. Daß die ganze Show für ihren Ehemann stattfindet, man mag es kaum glauben. Noch erstaunlicher ist die Tatsache, daß ihre bessere Hälfte sämtliche Signale verkennt. Am nächsten Abend das gleiche Bild: Fast schon auf dem Weg zum Rendezvous mit einem anderen Mann, unternimmt sie einen letzten vergeblichen Versuch, ihr Gespons zu locken. Doch der Gatte blickt kaum von seiner Zeitung auf und wünscht ihr unwissentlich einen netten Abend: „Amüsier dich gut!“ Das läßt sie sich schließlich nicht zweimal sagen: Für die frühen sechziger Jahre recht gewagt, inszenierte Regisseur Richard Quine den Seitensprung als akzeptable Option im Rahmen der sexuellen Selbstbestimmung der Frau.

Die Gattin auf Abwegen wird übrigens von Kim Novak verkörpert, und wer „Strangers When We Meet“ („Fremde, wenn wir uns begegnen“) bei der Berlinale verpaßt haben sollte, hat jetzt noch einmal die Gelegenheit, einen ihrer schönsten Filme im Zeughauskino zu sehen.

Die Protagonisten trinken unentwegt Martini und veranstalten langweilige Barbecues, auf denen sie sich mit noch langweiligerem Small talk anöden. Ansonsten trifft man sich im Zentrum der Modernität: dem Supermarkt.

4. 4. im Zeughauskino

Hätte Kim Novak – wie von Drehbuchautor Alain Robbe- Grillet ursprünglich geplant – tatsächlich die weibliche Hauptrolle gespielt, wer weiß, wie „Letztes Jahr in Marienbad“ dann ausgesehen hätte. Doch statt der blonden Amerikanerin ist es die dunkelhaarige Französin Delphine Seyrig, die kühl und abwesend in den an Gemälde von Paul Delvaux erinnernden Tableaus herumsteht, wenn die Kamera nicht gerade die mit dem „Zierat einer anderen Zeit“ überbordenden Flure eines mondänen Schloßhotels entlanggleitet.Auch in seinem zweiten Spielfilm gibt Regisseur Alain Resnais die Chronologie der Zeit und das Raum-Zeit-Kontinuum auf, um in eine faszinierende Welt der Imaginationen und Erinnerungen einzutauchen. „Marienbad“ funktioniert nach den Prinzipien eines Traums: Einen „Sinn“ oder eine an konventionellen Erzählstrategien orientierte Geschichte sucht man vergebens.

8. 4. im Arsenal

Den kürzlich verstorbenen Fred Zinnemann zu ehren ist eine gute Idee. Nur hätte die Ehrung ruhig etwas origineller ausfallen können, denn wieder einmal steht sein bekanntestes Werk, der Edelwestern „High Noon“ („12 Uhr mittags“) aus dem Jahre 1952, auf dem Programm. Freunden des Genres blieb „High Noon“ stets suspekt; Fred Zinnemanns Kollege Howard Hawks beispielsweise haßte den Film. Einen Sheriff, der ständig bei anderen Leuten um Beistand nachsucht, um dann schließlich doch allein mit Hilfe seiner Gattin mit den Schurken fertig zu werden, fand der rauhbeinige Regisseur einfach lächerlich. Aber mehr als „gunplay and horses“ hatte der Autor Carl Foreman – ein Betroffener der Machenschaften des Ausschusses für unamerikanische Umtriebe – mit seinem Drehbuch eine Parabel auf die McCarthy- Ära im Sinn gehabt. Die kleine korrupte Stadt galt ihm als Allegorie auf eine vor die Hunde gegangene Demokratie, in der Mangel an Solidarität und ein Klima der Angst herrschen. Zinnemann und sein Kameramann Floyd Crosby waren dagegen mehr an Fragen der Bildästhetik interessiert: Um eine größere Authentizität zu erzielen, filmten sie in Schwarzweiß und orientierten sich an Fotografien des Westens aus dem vergangenen Jahrhundert.

3. 4. und 6. 4. in der Arena

Lars Penning

„Strangers When We Meet“;

„Letztes Jahr in Marienbad“;

3., 4., und 6.4. im Filmmuseum Potsdam;