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Zwischen Bewag und Science-fiction

■ „Berliner Zukunftsgespräch“ mit „Club of Rome„-Mitglied Uwe Möller / Gediegene Ratlosigkeit angesichts der globalen Krise / Zukunftsdispute in der Urania und Gründung eines „Netzwerks Zukunft“ geplant

„Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll, aber wenigstens reden wir darüber.“ Das Motto des zweiten „Berliner Zukunftsgesprächs“, zu dem das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) am Montag abend in die holzgetäfelte Gediegenheit des Dahlemer FU-Clubhauses eingeladen hatte, war offiziell natürlich eleganter formuliert: „Globale Industrialisierung - Vorbild oder Alptraum?“, lautete das Thema, über das Uwe Möller, Mitglied des Club of Rome und Leiter des „Haus Rissen“, einer Institution der politischen Erwachsenenbildung in Hamburg, referierte.

„Mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 bis 90 Prozent marschiert die Welt in die Katastrophe“, zitierte IZT -Direktor Rolf Kreibich eingangs übereinstimmende wie bedrückende Ergebnisse von vier voneinander unabhängigen Institutionen der Zukunftsforschung.

20 Jahre nach Erscheinen des Furore-Werkes „Grenzen des Wachstums“ standen globale Überlebensfragen standen auch im Mittelpunkt der XXI. Jahrestagung des Club of Rome im Juni in Hannover. 50 von insgesamt 100 Club-Mitgliedern hatten sich vier Tage lang mit Möglichkeiten der Umsteuerung des industriellen Entwicklungsprozesses beschäftigt - jedoch „mehr Ratlosigkeit als Antworten“ hinterlassen, wie Möller einräumte. Gewachsen jedoch sei die Erkenntnis, daß man der Dritten Welt, wenn diese in die Phase des Massenkonsums komme, über den Markt „intelligente und energiesparsame Lösungen“ anbieten müsse, statt weiter Entwicklungshilfegelder in veraltete Industrien fließen zu lassen. Planspiele, wie die des Wiener Chemikers Marchetti, der Berechnungen darüber angestellt hat, wie das bei Kohle und Erdgasverbrennung anfallende und für den Treibhauseffekt hauptverantwortliche Kohlendioxyd an seine Quelle zurückgeführt und durch komplizierter Verfahren wieder in die Erdöllagerstätten „eingepreßt“ oder gar auf den Boden der Ozeane abgeleitet werden könnte, seien zwar als interessante Anregungen aufgenommen, jedoch vorerst in den Bereich von „Science-fiction“ verwiesen worden.

Konkretestes Ergebnis des Kongresses war die Forderung nach einem Umweltsicherheitsrat, einer Art Weltsicherheitsrat für Umweltfragen auf UNO-Ebene. Im übrigen, so Möller, habe der alte Slogan des Club of Rome nur mehr an Aktualität gewonnen: Global denken, lokal handeln!

„Ich beobachte bei der Bewag keine Sparpolitik. Im Gegenteil: der Strompreis sinkt nach wie vor mit steigendem Verbrauch“, manövrierte der emeretierte Professor Goldschmidt vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung die Debatte endlich auf die lokale Handlungsebene. Dabei blieb es dann auch schon.

Vorläufig, denn im September sollen die „Berliner Zukunftsgespräche“ fortgesetzt werden. Vertreter der Baseler „Syndropie-Stiftung“ sollen dann über Szenarien für die „Ökostadt Basel“ und Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung berichten. Lokale Handlungsspielräume sollen ebenfalls im Mittelpunkt stehen, wenn Vertreter internationaler Zukunftsnetzwerke, wie dem „Global challenge network“ oder die „World Future Study Federation“ (WFSF), die im Mai den Weltkongreß der Zukunftsforscher in Budapest ausrichtet, über ihre Arbeit von der Rettung des Wattenmeeres bis hin zu Sonnenenergie-Projekten berichten. Unter dem Titel „Die Gegenwart der Zukunft - Szenarien der Welt von morgen“ hat das IZT zusammen mit der Urania ein Programm von zehn Vorträgen und Disputen organisiert, das im November beginnt und flankiert werden soll von Einzelveranstaltungen, auch zu Berlin-spezifischen Fragen.

Nicht zuletzt steht für Herbst die Gründung einer „Gesellschaft für Zukunftsgestaltung“ in Berlin zu erwarten. Das sogenannte „Netzwerk Zukunft“, so ist es jedenfalls geplant, soll nicht nur dem eingespielten Wanderzirkus von Zukunftswissenschaftlern eine Heimstatt bieten, sondern allen „Menschen“, die Interesse an der aktiven und bewußten Gestaltung ihrer Zukunft haben.

bes

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