: Zwergenstaat soll Ruhrfestspiele retten
Frank Hoffmann, Leiter des Luxemburger National-Theaters, wird Nachfolger von Frank Castorf bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund soll Fehler bei dessen Kündigung eingestanden haben
Recklinghausen taz ■ Der neue Leiter der Ruhrfestspiele in Recklinghausen heißt Frank Hoffmann. Er löst den vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bereits nach einer Spielzeit wieder gekündigten Intendanten Frank Castorf aus Berlin ab. Das bestätigte gestern der nordrhein-westfälische Kulturminister Michael Vesper (Grüne) kurz nach der Aufsichtsratssitzung im Festspielhaus. „Ich hoffe, dass Herr Hoffmann in der Lage ist, die Ruhrfestspiele aus der Krise zu führen und den Neuanfang zu schaffen“, sagte der Minister der taz. Die Vorsitzenden des Aufsichtsrates, DGB Vorstandsfrau Ingrid Sehrbrock und Oberbürgermeister Wolfgang Pantförder (CDU) wollten die Wahl nicht kommentieren.
Der 50 -Jährige, in Luxemburg geborene Regisseur ist Leiter des dortigen National-Theaters und in der Ruhrgebietsstadt kein Unbekannter. Schon während der Intendanz von Hansgünter Heyme hat Hoffmanns Bühne eng mit den Ruhrfestspielen zusammengearbeitet. Seine Berufung ist für die Ruhrfestspiele auch inhaltlich eine Rolle rückwärts. So soll, wie unter der Ära Heyme, das europäisches Theater wieder in den Vordergrund gerückt werden, sagte Hoffmann gestern nach seiner Berufung. Er wolle die Ruhrfestspiele wieder der Region zurück geben, verlorenes Stammpublikum wiedergewinnen und neue Besuchergruppen interessieren. Hoffmann hat das zweisprachige Théâtre National du Luxemburg 1997 gegründet und zur Jahrtausendwende auch das erste Theaterfestival in dem Miniaturstaat ins Leben gerufen.
Die Abstimmung im Aufsichtsrat der Ruhrfestspiele soll nicht einstimmig gewesen sein. Mindestens zwei Mitglieder haben sich gegen den neuen Intendanten ausgesprochen, der als Interimslösung einen Vertrag für zwei Jahre erhält, um so auch das Jubliläumsjahr 2006, in dem die traditionellen Ruhrfestspiele 60 Jahre alt werden, planen zu können. Für die kommende Spielzeit muss der Luxemburger mit sehr schwierigen Rahmenbedingungen auskommen. Der DGB und die Stadt Recklinghausen wollen durch einen halbierten künstlerischen Etat die Verluste der letzten Spielzeit ausgleichen. Ob ihnen das gelingt, bleibt allerdings fraglich. Schon im Vorfeld der Intendantensuche haben eingeweihte Kreise dies bezweifelt. „Der DGB hat einen Hang zum Mittelmaß“ war zu hören, als der Name des jetzt bestätigten neuen Leiters bekannt wurde.
Mit Frank Castorf, dem diesjährigen Leiter der Ruhrfestspiele, steht dem DGB möglicherweise noch ein kostspieliger Arbeitsprozess ins Haus. Ihm war nach einem Amtsjahr im Mai gekündigt worden. Den Gewerkschaftern in Berlin gefiel die Neuausrichtung des Berliner Theaterstars nicht. Auch der Zuschauereinbruch auf 35 Prozent Auslastung im Festspielhaus wurde Castorf angelastet. Ein Schiedsgericht soll über die vorzeitige Vertragsauflösung entscheiden. Während der Aufsichtsratssitzung hat der Vorstand der Ruhrfestspiele Fehler beim Kündigungsverfahren zugestanden, das Frank Castorf bis heute nicht akzeptiert hat.
Die RuhrTriennale und die Ruhrfestspiele sind zukünftig wieder getrennt. Gerard Mortier, Leiter der Triennale, hatte in einer seiner letzten Amtshandlungen die Intendanz in Recklinghausen aus Protest niedergelegt. Sein Nachfolger Jürgen Flimm wollte „nicht die Leitung einer Ruine übernehmen“. Der Leiter der Salzburger Festspiele plant die neue Spielzeit der RuhrTriennale jetzt ohne Ruhrfestspiele. Welchen Einfluss die Personalie Hoffmann auf die zukünftige Landesförderung der Ruhrfestspiele hat, ist noch nicht sicher.
PETER ORTMANN