Zweiter Prozesstag gegen Ratko Mladic: Der General kann es nicht lassen
Mladic zeigt keine Reue. Am zweiten Prozess-Tag gegen den ehemaligen Miltär wurde das Srebrenica-Massaker verhandelt. Wegen Formfehler aber wieder ausgesetzt.
SPLIT taz | Eine Geste Ratko Mladic’ vor dem UN-Tribunal in Den Haag reichte, um große Empörung bei den Zuschauern hervorzurufen. Mit der Handkante strich er an seinem Hals entlang und schaute dabei Munira Subasic an, die im Zuschauerraum des Gerichtssaals saß. Sie ist eine der überlebenden Mütter von Srebrenica, die 22 Angehörige bei dem Massaker im Juli 1995 verloren hat. Danach lächelte Mladic, der ehemalige Befehlshaber der bosnisch-serbischen Armee.
Am Donnerstag, dem zweiten Verhandlungstag, ging es um den Genozid von Srebrenica. Bei der Aufzählung der dort begangenen Verbrechen verschlug es dem Staatsanwalt immer wieder die Sprache. „Wir können niemals diesen Horror begreifen“, sagte Staatsanwalt Peter McCloskey. Er schilderte, unterlegt mit vielen Fakten und Filmmaterial, die Ereignisse in Srebrenica, den Vormarsch der serbischen Truppen am 11. Juli 1995 in die wehrlose „UN-Schutzzone“. 1993 hatten die Verteidiger der Enklave im Vertrauen auf das Versprechen der UNO, das Leben der 40.000 Menschen zu schützen, ihre Waffen abgegeben.
Der Ankläger legte den Angriffsplan auf Srebrenica „mit persönlicher Autorisierung“ von Mladic vor. Die Landkarte enthält einen handschriftlichen Kommentar. Mladic schrieb, „das war serbisches Gebiet und ist jetzt wieder serbisch“. Das ist zwar historisch nicht korrekt, denn Srebrenica war die längste Zeit im Mittelalter Teil des bosnischen Königreichs. Aber er glaubt bis heute offenbar an „seine Mission“. Die Enklave war auf dieser Karte mit einem großen X markiert.
Mladic sei entschlossen gewesen, die Bewohner und Flüchtlinge, die meisten von ihnen Bosniaken (Muslime), die sich in der Enklave drängten, „physisch auszulöschen“, erklärte McCloskey: „Die Beweislage ist erdrückend.“ Mladic sei von der Idee besessen gewesen, die in Bosnien von seinen Truppen eroberten Gebiete von „Türken“ und Kroaten zu „säubern“. Er bezeichnete die Bosniaken, die im übrigen ethnische Slaven sind, als „Türken“, um seinen „Rachefeldzug“ zu rechtfertigen.
In Srebrenica seien Männer zwischen 16 und 60 ausgesondert worden und ein Teil von ihnen mit Bussen zur Exekution abtransportiert worden, erklärte der Ankläger. Ein Video zeigte Leichenberge an einem Erschießungsort in dem Dorf Kravica. 20.000 Männer versuchten über die Berge und im Schutze der Wälder in das noch freie Gebiet um Tuzla zu gelangen. Die Kolonne geriet mehrmals in Hinterhalte der serbisch-bosnischen Armee und wurde mit Artillerie beschossen. Insgesamt starben während der fünf Tage des Marsches rund 8.300 Menschen.
Auf allen Fernsehkanälen
Die Gerichtsverhandlung wurde in Bosnien und Herzegowina auf allen Fernsehkanälen übertragen. Während in Sarajevo viele Menschen gebannt der Verhandlung folgten, kam es in den nationalistischen Serbenhochburgen Pale und Kalinovik zu Protesten. In Kalinovik, der Heimatgemeinde Mladic’, erklärten Demonstranten, Mladic habe die Serben Bosniens gerettet, deshalb sei er ihr Held.
„Der zeigt keinerlei Reue. Nichts. Er würde es wieder tun,“ sagte der in Sarajevo lebende Verleger Mustafa Kapicic gestern der taz. „Mit der Geste gegenüber Frau Subasic zeigte er, was er ist, nichts anderes als ein grausamer Mörder.“ Der Menschenrechtler Srdzan Dizdarevic hofft: „Die Verhandlung wird zur Wahrheitsfindung über den Krieg beitragen.“
Doch der Prozess wurde zunächst auf unbestimmte Zeit vertagt. Als Grund nannte Richter Alphons Orie „Unregelmäßigkeiten“: Die Staatsanwaltschaft habe der Verteidigung Dokumente vorenthalten und damit deren Vorbereitung auf den Prozess behindert.
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