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berliner szenenZweite Runde auf dem Dach

Am Freitagabend lud mich eine Freundin zu sich aufs Dach ein. Zum Picknicken. Das klang in meinem etwas höhenängstlichen Kopf gewagt, doch lieber Wagnisse als keine, dachte ich und sagte zu. M. wohnt im Wedding, nicht weit vom Leo­poldplatz. Wer sie besucht, muss sich mehrere Stockwerke hochquälen, bis die oberste Etage erreicht ist. Von der Küche aus lässt sich über eine Luke samt ausklappbarer Metallleiter das Dach erreichen. Es ist ein Flachdach, das einen quadratischen Innenhof umrandet. Als ich mit wackeligen Beinen das Dach erreiche, staune ich nicht schlecht. Die Spitze des Fernsehturms, die Kuppel des Berliner Doms, die Charité lassen sich aus der Ferne erkennen. Ich brauche erst mal einen großen Schluck Wein.

M. ist derweil total relaxed und breitet vergnügt die Picknickdecke aus. Sie erzählt mir, dass sie schon mal auf dem Dach übernachtet hätte. Ich male mir aus, wie ich in einem Schlafsack schlafend Richtung Innenhof kullere – und radiere das Bild schnell wieder aus meinem Kopf. Ich trinke lieber weiter vom Wein und schaue auf die gegenüberliegende Dachseite. Auch da gibt es eine Luke, die zu einer Hippie-WG führen würde. M., so erzählt sie mir, wäre also nicht die einzige Hausbewohnerin, die aufs Dach klettern würde.

Später kommt noch eine andere Freundin von uns dazu. Dass sie noch mehr Höhenangst hat als ich, merke ich spätestens, als sie sich nur auf allen vieren auf dem Dach fortbewegen kann. Gegen Mitternacht geht die Luke von der Hippie-WG auf und ein Pärchen steigt empor. Der Mann transportiert eine Matratze, die Frau eine Kerze. Ich schaue M. an und M. schaut mich an. Wir grinsen. Später, als ich schon wieder zu Hause bin, bekomme ich eine Nachricht von M. Sie schreibt: Ich liege gerade im Bett und höre, dass es auf dem Dach in die zweite Runde geht. Eva Müller-Foell

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