piwik no script img

Zweierlei Maß, auch im Tod

■ „Die Stadt der toten Frauen“, ein Projekt zur Erinnerung an berühmte Hamburgerinnen

Magda Thürey ist auf dem Straßenschild Thüreystraße in Hamburg-Niendorf als Ehefrau des Maschinenbauers Paul Thürey und Opfer des Nationalsozialismus verzeichnet. Ihr Grab ist auf dem Ohlsdorfer Friedhof; auf der Liste des Friedhofsamtes, die die Grabstätten bekannter Persönlichkeiten verzeichnet, kommt sie jedoch nicht vor. In Hamburgs Erinnerung existiert Magda Thürey nur mehr als Ehefrau.

Sie hätte besseres verdient. Von Hauptberuf Lehrerin, war sie vor 1933 als Mitglied der KPD Bürgerschaftsabgeordnete und Spezialistin für Schulfragen. Nach ihrer Entlassung aus dem Schuldienst war das Seifengeschäft der Eheleute ein Treffpunkt des kommunistischen Widerstands. Auch Johanna Mestor, Erna Stahl und viele andere Frauen, die während ihres Lebens Beachtliches leisteten, sind nahezu aus dem öffentlichen Bewußtsein getilgt. Ihre Lebensläufe und -werke sind wenig dokumentiert, und wenn nicht eine Straße oder eine Schule ihren Namen trägt, fällt auch dieser dem Vergessen anheim.

Wenigstens einige der toten Frauen des Ohlsdorfer Friedhofs vor der geschichtlichen Anonymität zu bewahren, haben sich Studentinnen und Studenten des historischen Seminars der Uni Hamburg vorgenommen. Unter der Leitung von Dr. Rita Bake erarbeiteten sie eine Broschüre, die von der Landeszentrale für politische Bildung in Hamburg herausgegeben wurde. Bei einem vom Journalistinnen Bund veranstalteten Spaziergang über den Ohlsdorfer Friedhof am Montag stellte die Seminarleiterin einige der Lebensgeschichten vor.

Die Biographien sind oft nur angerissen, im Reader finden sich pro Person oft kaum zwei Seiten Text. Aber wissenschaftliche Literatur zum Thema ist rar. Oft finden sich kaum schriftliche Aufzeichnungen, so Dr. Bake. Die Studierenden waren bei ihrer Recherche auf sogenannte „graue Literatur“ angewiesen und mußten auf Zeitungsartikel und Magisterarbeiten zurückgreifen. So zeichnet sich die 230 Seiten starke Broschüre auch eher durch Sammeleifer als durch Wissenschaftlichkeit aus, öffnet aber der Forschung ein weites Feld. Der Ohlsdorfer Friedhof hat hier jedenfalls nicht viel zu bieten. Er verzeichnet gerade 23 berühmte Frauen (gegenüber 165 Männern), meist aus großbürgerlichem Milieu, als Töchter und Gattinnen.

Zwar findet sich auf dem Althamburgischen Gedächtnisfriedhof, auf dem die Gebeine berühmter Toter liegen, deren Grabstätte abgelaufen ist, sogar eine Grabplatte, die „hervorragende Frauen“ benennt. Auf ihr drei Namen: neben Emilie Wüstenfeld, der Gründerin der ersten Gewerbeschule für Mädchen, Maria Caroline Ilsabe Perthes und Johanna Margarethe Sieveking. Beide Hamburger Kaufmannsgattinnen.

Magda Thürey hat im Zuge dieses Seminars übrigens Genugtuung erfahren. Der mit den Recherchen zu ihrem Leben befaßte Student konnte die Ergänzung ihrer biographischen Daten auf dem Straßenschild erwirken.

Petra Langemeyer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen