Zwei Vattenfall-AKWs weiter vom Netz: Greenpeace für Lizenz-Überprüfung
Nach Pannen im letzten Jahr bleiben die AKWs Krümmel und Brunsbüttel abgeschaltet. Vattenfall behauptet, seine Sicherheit verbessern zu wollen. Umweltschützer vermuten Unfähigkeit.
Die norddeutschen Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel bleiben vorerst abgeschaltet. Wann sie wieder ans Netz gehen könnten, sei "derzeit noch nicht absehbar", sagte Ernst Michael Züfle, Chef der Atomenergiesparte von Vattenfall, gestern. "Wir sind heute mit der Befundaufnahme nicht an allen Stellen zu Ende."
Der schwedische Energiekonzern Vattenfall betreibt die beiden Atomkraftwerke an der Elbe als Mehrheitsgesellschafter zusammen mit Eon. Beide Anlagen waren am 28. Juni 2007 kurz hintereinander ausgefallen. In Brunsbüttel gab es gegen 13 Uhr einen Kurzschluss in einer Schaltanlage. Das Kraftwerk wurde schnell abgeschaltet, wodurch an einer Turbine im Maschinenhaus ein Schwelbrand entstand.
Krümmel wurde gegen 15 Uhr abgestellt, nachdem ein Kurzschluss in einem Trafo außerhalb des Reaktorgebäudes aufgetreten war. Der in einem Betongebäude stehende Trafo fing Feuer und brannte vollständig aus. Durch die Lüftung drang Rauchgas in den Leitstand des Kraftwerks.
"Die Folgen der Ereignisse vom vergangenen Sommer sind abgearbeitet", sagte Züfle. Die Schäden seien repariert, technische Schwächen behoben worden: Eine Speisewasserpumpe, die wegen des Trafobrandes ausfiel, werde jetzt anders gesteuert, ebenso die Lüftung des Leitstandes. Jede Schaltanweisung muss künftig wiederholt und bestätigt werden.
Nicht behoben ist eine Reihe weiterer Mängel. Sie wurden entdeckt, als die Kraftwerke nach den beiden Störfällen unter die Lupe genommen wurden. Die Gutachter entdeckten nicht tief genug sitzende Dübel wie im hessischen AKW Biblis. Die Dübel halten Rohrleitungen und müssen erdbebensicher sein.
Die Prüfer entdeckten zudem feine Risse im Material bierfassgroßer Absperrventile. Neue Ventile könnten erst in zwei bis zweieinhalb Jahren geliefert werden, sagte Kraftwerksleiter Lucht. Seine Leute hätten eigens ein Verfahren entwickelt, bei dem die beschädigte Oberfläche durch aufgeschweißtes Metall ersetzt werden könne.
In Krümmel gibt es 62 solcher Ventile. 43 müssen saniert werden, 13 davon geschweißt. In Brunsbüttel sollen 15 geschweißt werden, sieben weitere werden untersucht. Im Krümmel wurden 230 Dübel ersetzt, 40 sollen folgen. In Brunsbüttel wurden 50 Dübel ausgetauscht. 300 weitere sind fällig. Vattenfall-Vorstand Reinhardt Hassa versicherte, seine Leute arbeiten mit Hochdruck. Vattenfall habe keine Interesse am Stillstand der AKWs.
In Zukunft gelte bei Vattenfall die Philosophie "safety first", sagte Per-Olof Waessmann. Der Schwede bekleidet den neu geschaffen Posten des Chef-Nuklear-Managers und ist als solcher für die Sicherheit aller Atomanlagen verantwortlich. "Die Vorgänge in Brunsbüttel, Krümmel und Forsmark im Jahr davor haben Vattenfall erschüttert", sagte Waessmann. Vattenfall wolle im Bereich der Atomkraftsicherheit führend werden.
Mit dem schwedischen Exmilitär Stefan Gustavsson hat sich der Konzern einen Experten für Krisenmanagement geholt. Er soll die interne und externe Kommunikation in problematischen Situationen verbessern. Insbesondere bei der externen Kommunikation habe das Unternehmen Fehler gemacht: "Das Problem war unsere Unfähigkeit, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren", sagte Waessmann. Ab jetzt gelte das Prinzip der Offenheit.
Heinz Smital von Greenpeace bezweifelte das. Schließlich verheimliche Vattenfall die Akten aus einer Knallgasexplosion in Brunsbüttel 2001. Dass so viele Mängel in den beiden Kraftwerken entdeckt wurden, lege den Verdacht nahe, dass Vattenfall seine Anlagen nicht genau kenne. Smital: "Man sollte darüber nachdenken, Vattenfall die Lizenz zu entziehen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis