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Zwei Herzen, im Chaos vereint

■ Das schönste Liebespaar der Filmgeschichte: die Anarchisten wider Willen Stan Laurel und Oliver Hardy mit zwei Kurzfilmprogrammen im Abaton

Wie sehr muß man einen Menschen eigentlich lieben, daß man ihm ohne viel Aufsehen Tritte gegen das Schienbein oder gezielte Abstecher ins Auge verzeiht? Was im richtigen Leben wohl kaum funktioniert, hat, das wissen wir alle, dank Stan Laurel und Oliver Hardy stattgefunden und Filmgeschichte geschrieben. Zusammen waren sie nicht nur einfach „Dick und Doof“ – sie waren in dem Chaos, das sie im Laufe ihrer 13jährigen Zusammenarbeit um sich herum veranstaltet haben, auf wundersame Weise vereint. In Amerika wurden die beiden in dieser Zeit liebevoll „The Boys“ genannt. Diese kumpelhafte Koseform zeugt von dem Respekt, den die Kindergartensprachedes deutschen Fernsehens schmerzlich vermissen läßt und deutet auf das gleichermaßen gestörte wie komplexe Verhältnis von Hardy und Laurel zu ihrer Umwelt wie zu sich selbst.

Von außen betrachtet bilden die beiden „Jungs“ schon aufgrund ihres legendär-grotesken Outfits eine Einheit urbaner Clowns, die mit der restlichen Welt in einen merkwürdigen Clinch gelangen. Innerhalb ihrer Beziehung lebten Laurel und Hardy eine leicht zu durchschauende und endlose Form der gegenseitigen Kontrastwirkung, derzufolge die beiden weder mit- noch ohne einander auskamen. Aber so bringen sich ja auch viele Liebespärchen über die Jahre.

Stan Laurel, das Hemd mit abstehenden Haaren, war gezeichnet aus kindlichem Übermut und tolpatschiger Lebensunfähigkeit. Den Counterpart dazu füllte Oliver Hardy nur allzu gerne aus. Als Mann von Welt brachte er die nötige Lebenserfahrung, Standhaftigkeit und Weitsicht ins Spiel. Dachte er zumindest immer, wenn er mit seinen Pranken an seinem Schlips rumnestelte. Hardy, eine Art zerbrechlicher Wal, versprühte mittels Briefmarken-Moustache und pomadigem Pony eine Aura von „ich-mach-das-schon“. Bezeichnend, daß es ausgerechnet immer ihn am dollsten traf und zum Schluß nicht viel mehr blieb, als einen sehnsüchtigen Blick in die Kamera zu werfen.

Das Duo rannte unaufhörlich und infernalisch gegen eine Gesellschaft an, in der es keinen Humor und noch weniger Gerechtigkeit gab. Dabei waren Laurel und Hardy keine Outlaws wie Charlie Chaplin. Als Figuren bewegten sie sich immer an der Schwelle zu einer Gemeinschaft, die nichts besseres zu tun hatte, als ihnen immerwährend die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Da konnten die beiden vor der Haustür klingeln, soviel sie wollten. Um nicht endgültig an der herrschenden Ordnung zu scheitern, verschanzte sich das Gespann hinter einem Comedy-Bollwerk aus eigenen Verhaltensmustern.

Ihre Destruktionen der Welt und der Wirklichkeit wirkten vor allem deshalb so anarchistisch, weil sie in ihrer Akribie und Ritualhaftigkeit dem Philistertum jener Zeit in nichts nachstanden. Und mit den beiden Kurzfilmprogrammen, die jetzt noch mal während eines kleinen Laurel-&-Hardy-Festivals im Abaton laufen, wird das noch einmal besonders deutlich. Egal, ob Stan oder Ollie sich anschicken, beim Militär, in einer Bank oder im Ehealltag Unterschlupf zu finden: Stets hinterlassen sie das größte Desaster aus zerrissenen Hosen, zertrümmerten Häusern und untergegangenen Schiffen – weil sie nichts mehr wollten, als Regeln zu befolgen.

Ollie Rohlf

Anarchie und Chaos: Do, 16. bis Mi, 22. Juli, 15.15 Uhr. Die Kunst der Zerstörung: Do, 23. bis Mi, 29. Juli, 15.15 Uhr. Anarchie und Chaos + Die Kunst der Zerstörung: So, 19. Juli, 22.15 Uhr. Die Filme werden in Originalfassung gezeigt.

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