piwik no script img

Zwei Frauen gegen drei MännerBremens Opposition ist weiblich

Es gibt in der Bremer Bürgerschaft eine Opposition: Rita Mohr-Lüllmann und Kristina Vogt traten den drei Männern der rot-grünen Koalition entgegen

Kristina Vogt, das Pendant der Linkspartei zur Christdemokratin Rita Mohr-Lüllmann Bild: Wolschner

Bremen Die breite Mitte des Sitzungssaales der Bürgerschaft ist von den Fraktionen der SPD und der Grünen besetzt, die über eine Zweidrittel-Mehrheit verfügen, die konservative und die linke Opposition sitzen an den beiden Rändern. Muss die Regierung sie fürchten oder zumindest ernst nehmen? Jens Böhrnsen trug am Mittwoch die Regierungserklärung vor, Matthias Güldner (Grüne) und Björn Tschöpe (SPD) unterstützten sie. Zwei Stunden Redezeit der Regierung. Dagegen halten mussten zwei Frauen: Rota Mohr-Lüllmann (CDU) und Kristina Vogt für die Linkspartei.

Eigentlich ist Thomas Röwekamp der Fraktionsvorsitzende der CDU, dennoch trat Rita Mohr-Lüllmann nach der Regierungserklärung nach vorn. Sie vermisse "konkrete Antworten" auf die Probleme Bremens, erklärte sie. Zentraler Punkt ihrer Kritik: die "staatliche Vollkasko-Mentalität" der SPD. Private könnten eben manches besser, betonte sie. Die Probleme Bremens seien auch Ergebnis von 65 Jahren sozialdemokratischer Senatspolitik. Insbesondere in der Sozialpolitik erwartete sie ein "neues Denken" von der grünen Senatorin Anja Stahmann.

Angesichts der Kinderarmut sei "Hilfe zur Selbsthilfe" notwendig und nicht Dauer-Alimentierung. Und schließlich sagte Mohr-Lüllmann den Satz: "Verschuldung wird immer nur durch Senken von Ausgaben zu stoppen sein." Mehr Staatsausgaben forderte sie für die Justiz. Und um die Chancen der Energiewende nutzen zu können, müsse der Senat eine "offensive Infrastrukturpolitik" betreiben. Sie wandte sich gegen die "Privatschulallergie" der Bildungssenatorin und die geplante "Matratzen-Maut", die Abgabe auf Hotelübernachtungen.

Ihre Rede war engagiert vom schriftlichen Manuskript vorgetragen, in eine "zweite Runde" mit freier Rede ging sie nicht. Für Matthias Güldner war es ein Leichtes, ihr vorzuhalten, dass ihre Vorschläge konkret nicht weniger, sondern mehr Ausgaben bedeuten würden. Gerade die früheren CDU-Finanzsenatoren hatten ihre Hoffnung nicht schlicht auf die "Senkung der Ausgaben" gesetzt, sondern vor allem auf (Investitions-)Ausgaben, die eine Steigerung der Einnahmen bringen sollten.

Für Kristina Vogt von der Linkspartei war es ihre zweite Rede vor der Bürgerschaft und sie stellte unter Beweis, dass sie es rhetorisch mit den "alten Hasen" im Parlament durchaus aufnehmen kann. Wenn man die Nichtwähler hinzurechne, erklärte sie gleich zu Beginn, dann repräsentiere dieser Senat keine Mehrheit der Bevölkerung. Angesichts der "Kapitulation der Sozialdemokratie" vor den sozialen Problemen brauche die Stadt "eine soziale Opposition". Vor vier Jahren habe Böhrnsen erklärt, er wolle "die soziale Frage in den Mittelpunkt" seiner Politik stellen - die Lage habe sich aber keineswegs verbessert. Heute gebe es 120.000 "Leistungsempfänger" in Bremen und 80.000 "Erwerbsarme". Der wirtschaftliche Aufschwung bringe in Bremen vor allem Teilzeit- und Zeitarbeitsplätze. Der letzte Platz bei den Pisa-Schultests sei "nicht einmal das Schlimmste" - sondern die Tatsache, dass in einem Stadtteil wie Gröpelingen nur 15 Prozent der SchülerInnen das Abitur machen. Die Ausbildungsquote von jugendlichen Migranten liege lediglich bei acht Prozent.

Wer etwas dagegen tun wolle, müsse Geld ausgeben. Bremen sei, wie immer wieder betont wird, unverschuldet in die Haushaltskrise geraten. Wenn man das ernst nehme, könne man nicht die "Schuldenbremse" unterschreiben. Die stehe nun im Grundgesetz - und sei durch eine "Einnahmesicherungsklausel" in der Bremer Landesverfassung nicht zu relativieren.

Die Koalition will eine "Privatisierungsbremse" einführen - eine Volksbefragungs-Klausel in der Verfassung. Noch 2009, so erinnerte Vogt, hätte der rot-grüne Senat die Chance gehabt, die SWB-Anteile zurückzunehmen - "er hat sie nicht genutzt".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!