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Zwangserklärung gegen Scientology-Sekte

■ Bekannt wurde die Firma Madaus wegen ihrer homöopatischen Medikamente. Jetzt müssen ihre Mitarbeiter der Psychosekte abschwören. Schriftlich

Berlin (taz) – Ein Pharmakonzern sieht das Böse nahen. Seit Anfang des Monats verteilt die Kölner Madaus AG an ihre MitarbeiterInnen ein „Informationsblatt“, das über die Praktiken der autoritären Scientology-Sekte aufklärt.

Doch Aufklärung über die Sekte, die nach den Lehren ihres Begründers L. Ron Hubbard reinen Psychoterror betreibt, genügt Managern und Betriebsrat nicht. Alle 700 Madaus-Beschäftigten sollen schriftlich erklären, nichts mit der Scientology am Hut zu haben. Ein Vordruck wurde im Werk verteilt: „Ich erkläre, daß ich nicht nach der Technologie von L. Ron Hubbard arbeite.“ Per Unterschrift soll auch versichert werden, daß man weder Hubbard-Kurse besucht und auch dessen Vorgaben zur Mitarbeiterführung ablehnt. Die „Aufforderung zur Unterzeichnung“ stelle eine „reine Präventivmaßnahme“ dar, heißt es im Begleittext.

Die Erklärung soll Bestandteil der Arbeitsverträge werden. Einige MitarbeiterInnen befürchten Konsequenzen, wenn sie nicht unterschreiben, und wandten sich an die Industriegewerkschaft Chemie. Gerd Hengsberger, der Kölner IG-Chemie-Chef, schüttelt über die Abschwuraktion bloß den Kopf. „Den Mitarbeitern wird in einer einmaligen Aktion eine Unterschrift abgenötigt. Was ist mit dem, der nicht unterschreibt? Das ist psychologischer Zwang.“ Hengsberger hat nichts gegen Aktionen, die aufklären über Scientology-Machenschaften, doch den Rundbrief versteht er als „Einschüchterung“. Auch wenn die Madaus AG die Erklärung nicht arbeitsrechtlich einklagen kann, bei ihren Mitarbeitern kommt heftige Unruhe auf.

Mittlerweile muß der Sturm der Entrüstung orkanartige Böen bei der Madaus AG verursachen. Selbst Reinhardt Thielemann, örtlicher Betriebsratsvorsitzender, verschanzt sich hinter einer Mauer des Schweigens. Fragen sind ihm lästig. Warum hat der Betriebsrat dem Rundschreiben zugestimmt? Sind Scientology-Mitglieder bei Madaus enttarnt worden?

„Ich sag' dazu gar nichts“, sagt Thielmann. Auch aus der Pressestelle der Madaus AG spricht es eisig. „Keine Antwort.“ Pressesprecherin Friedrich verweist auf die karge schriftliche Stellungnahme des Unternehmens, in der es heißt: „Gefahren für ein Unternehmen und die Menschen, die darin arbeiten, kommen heute auch aus Richtungen, die vor kurzem noch nicht denkbar waren.“ Betriebsrat und Vorstand hätten sich „in der Pflicht“ gesehen, vor Scientology „zu warnen“. In einem Interview beeilte sich Vorstandsmitglied Andreas Madaus zu beteuern, sein Betrieb sei „nicht unterwandert“. Bei der Aktion sei es lediglich darum gegangen, „das Bewußtsein für die Gefahr (zu) schärfen“.

Weshalb aber sollen alle Mitarbeiter eine Erklärung abgeben, die in anderen Firmen nur vom Führungspersonal verlangt wird? Auch diese Antwort läßt die Madaus AG offen. Es darf spekuliert werden. Annette Rogalla

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