Zur Zukunft des Schlossplatzer: "Das Schloss wäre stärker als Luftschloss"
Erst träumen, dann planen, dann bauen - dafür plädiert der Architekt Jakob Tigges. Das Schloss soll dabei lediglich eine Hülle sein für eine Ideensammlung, an der sich möglichst viele Menschen beteiligen können.
taz: Herr Tigges, das Berliner Schloss wird - zumindest in den nächsten Jahren - doch nicht wieder aufgebaut. Was kann eine Stadt mit so viel zentralen, unverhofftem Raum tun?
Jakob Tigges: Zunächst mal ist es ein ziemlicher Glücksfall, dass das Schloss nicht gebaut wird. Berlin ist eine Stadt, die durch Wandel interessant wird. Und das Stadtschloss ist das Gegenteil von Wandel. Da soll die Stadt als fertig präsentiert werden - und darüber hinaus noch gefälscht.
Der 37jährige studierte Architektur und Kommunikationssoziologie in Aachen, Rom und Berlin. Er unterrichtet städtebauliches Entwerfen an der Universität Trondheim in Norwegen und leitet die Berliner Agentur Mila. Der Entwurf zu "The Berg" in Tempelhof steht unter www.the-berg.de
Sie sind also Schlossgegner.
Das Schloss an sich war ein ganz gutes Projekt; der Fehler war nur, dass es gebaut werden sollte.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Ein wesentlich stärkeres Konzept wäre das Schloss als Luftschloss. Hier könnte jeder sein Happy End selbst definieren. Und die Tatsache, das weder Berlin noch der Bund das Geld für ein richtiges Schloss haben, öffnet da unglaubliche Freiheiten.
Einen ähnlichen Vorschlag hatten Sie schon beim Tempelhofer Feld gemacht mit dem Projekt "The Berg". Die Idee: Die Berliner sollen sich vorstellen, dass auf dem Gelände ein Berg steht. Ist das ein Plädoyer für weniger reale und mehr imaginäre Stadtplanung?
Bei Tempelhof war es eine Kritik an dem Verfahren, das benutzt wurde, um eine mittelmäßige Planung zu legitimieren. Unser Vorschlag war eine humorvolle Art und Weise zu sagen: "Wenn ihr keine gute Idee habt, dann macht ihr besser nichts!" Der Bau des Schlossplatzes war sogar vom Bundestag beschlossen worden. Aber das erste Mittel der Stadtplanung muss nicht bauen sein. Man kann sich erst mal Dinge vorstellen. Dadurch kann man mehr Leute beteiligen als nur Architekten oder Stadtplaner.
Also erst träumen, dann planen.
Ja. Dadurch, dass der Platz komplett frei ist, kann man sich dort alles vorstellen. Der Bau des Stadtschlosses war eher ein Konzept, das die Fantasie eingeschränkt hat. Es war sehr restriktiv und hat in erster Linie bestimmte Gruppen, mit einem bestimmten Architektur- und Geschichtsverständnis angesprochen. Zumindest für die Übergangszeit...
… die ja durchaus etwas mehr als ein Übergang werden kann…
… sollte man möglichst viele unterschiedliche Gruppen sprechen lassen. Dann könnte man dem restriktiven Bild ein pluralistisches, eher zeitgenössisches Bild entgegen stellen.
Wie könnte das bei einem Projekt Luftschloss funktionieren?
Beim Stadtschloss geht es darum, dass hier die Mitte der Stadt definiert wird. Da wäre es angemessen, möglichst viele Leute mitträumen und mitentscheiden zu lassen.
Wie soll das konkret aussehen?
Im Fall des Berges in Tempelhof hat es dadurch funktioniert, dass wir ein starkes Bild vorgegeben haben. Das hat Leute dazu angeregt, das Bild zu benutzen und eigene Vorschläge zu machen.
Es geht also nur über ein Bild?
Auch bei Tempelhof hätte es nicht funktioniert, wenn wir nur erzählt hätten, dass es dort einen Berg gibt. Da hätte sich niemand für interessiert. Erst wenn man wirklich ein Projekt macht, kann man die Reaktionen ernten. Wenn man es schafft, dieses Schloss als Hülle für viele unterschiedliche Träume bildhaft darstellen zu können, dann kann man sicher viel Fantasie und Energie freisetzen.
Kaum war klar, das der Schlossbau verschoben wird, begannen die Überlegungen, was mit dem Platz passieren soll. Woher kommt der Reflex, freien Raum gleich bebauen zu wollen?
Politiker müssen Probleme lösen. Und ein großes Loch in der Mitte der Stadt kann ihnen zur Last gelegt werden, unerwünschte Diskussionen erzeugen und wird daher als Problem betrachtet. Das war bei Tempelhof so und das ist auch beim Stadtschloss so. Aber je dichter die Stadt wird, desto größer wird die Sensibilität für die Freiräume, die es noch gibt.
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