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Archiv-Artikel

■ Zur Todesschuss-Politik in Großbritannien Die Effizienz des Terrors

betr.: „Todesschüsse im U-Bahn-Zug“, taz vom 23. 7. 05

Drei bewaffnete Zivilfahnder verfolgen einen Unbewaffneten, treiben ihn in die Enge und erschießen ihn kaltblütig. Polizisten in Zivil: Ermittler, Richter und Henker in einer Person. Wie war der Verdacht, was wurde ermittelt? War er verdächtig, weil er dunkelhäutig war? Rassismus? Erst schießen, dann fragen? Ist das noch Rechtsstaat? War das Opfer selber schuld? Wie reagieren Sie, wenn Sie von drei dunklen Gestalten verfolgt werden? Weglaufen? Bloß nicht, es könnten Polizisten in Zivil sein.

Wenn das weiter eskaliert, dann haben die Terroristen gewonnen. Dann herrscht wirklich Terror in Europa. Deeskalation ist notwendig. Wie wäre es mit Gepäck- und Personenkontrolle – wie auf dem Flughafen – statt blindem Aktionismus? Kooperation aller friedliebenden Menschen ist gefragt und nicht Konfrontation und Diskriminierung nach Rasse und Religion. UTZ WOLTMANN, Jork

Wie weit ist das politische Empfinden bereits gesunken? „Getötet?“ War es nicht eher eine gewollte Hinrichtung! Ein Unschuldiger, von seinen Häschern auf ihm sitzend am Boden festgehalten, wurde mit fünf gezielten Schüssen von seinen Mördern exekutiert. Oder ist uns die taz schon einen Schritt voraus und hat uns nur die Zukunft einer paranoiden Law-and-Order-Gesellschaft vorformuliert: das gewöhnliche Zu-Tode-Kommen in Polizeigewahrsam ohne besonderen Anlass, und im Regelfall ohne erkennbare Ursache und Mitwirkung der Schergen des staatlichen Gewaltmonopols?

EVA SCHIEBLER, Weilrod

betr.: „Todesschuss-Politik ist nicht zu rechtfertigen“, Kommentar von Christian Rath, taz vom 25. 7. 05

Ich bin nicht der Auffassung, dass Christian Rath mit seinem Kommentar dieses schreckliche Ereignis in London aus- und hinreichend beschrieben hat.

Worum geht es denn in diesem Fall? Es geht nicht darum, dass ein junger Mann, durch die Verkettung unglücklicher Umstände, von der Polizei sozusagen auf der Flucht erschossen worden ist. Es geht nicht darum, festzustellen, dass Polizisten auch Menschen sind, die irren können. Alles das ist verständlich, zumal in London nach den furchtbaren Anschlägen die Nerven blank liegen.

Dieser unglaubliche Vorgang muss redlicherweise in allen Details geschildert werden, weil er eine neue und abscheuliche „Qualität“ und Dimension beim so genannten weltweiten Kampf gegen den Terror beinhaltet. Hier ist einem jungen Mann, der wehrlos am Boden gelegen hat, von drei Polizisten in Zivil, nicht ein-, nicht zwei-, sondern insgesamt fünfmal in den Kopf geschossen worden. Das nenne ich einen kaltblütigen Mord, das kommt einer Hinrichtung gleich, wie es ein schockierter und entsetzter Augenzeuge ausgedrückt hat.

Was ich für besonders fatal halte: Das Mutterland der Demokratie, lässt durch seinen Scotland-Yard-Chef verkünden, noch empfindungsfrisch im Angesicht dieses tragischen Ereignisses, dass es selbstverständlich bei den so genannten gezielten Todesschüssen auch in Zukunft bleiben wird. Was wird das für Folgen haben, denn schließlich handelt es sich nicht um Israel oder die USA, wo diese staatliche Lizenz zum Töten schon nichts Besonderes mehr ist?

Dieser abscheuliche Vorgang wird die letzten Grenzen und Hemmnisse verschwinden lassen, die demokratische Rechtsstaaten noch von Terroristen unterschieden haben. Dass Selbstmordattentäter nicht nur „Schuld an dieser Zuspitzung“, sondern die Pest unserer Zeit sind, dürfte unbestritten sein. Viel wichtiger ist es allerdings, dass sich die Erkenntnis bei den Herren Bush, Blair und anderen Staatsführern endlich durchsetzt, dass Selbstmordattentäter weder mit polizeilichen noch mit militärischen Mitteln zu stoppen sein werden. KLAUS ZINNER, Bochum

Was hätten Sie sich das Maul zerrissen, wenn einem tatsächlichen Attentäter das Zünden seiner Bombe gelungen wäre? Auf derartige Kolateralschäden müssen sich Demokraten einstellen, oder selber untergehen. HEIDEMARIE WÄTZOLD, Berlin

Damit ist das Erschießen bloßer Verdächtiger wohl sanktioniert: Es ist fürs höhere Wohl. Dann muss man sich nur noch entschuldigen (ooops, sorry). Aber man steht ja auf der Seite des reinen Guten und absolut Wahren – wo man hobelt, da fallen Späne. Terroranschläge muss man mit allen Mitteln bekämpfen, mit zivilem friendly fire muss man halt leben. Guter Terror, böser Terror, oder wie? Was kommt als nächstes? Das Foltern von Verdächtigen, weil der gerechte Zweck und die gute Absicht jedes Mittel heiligt? Hatten wir das alles nicht schon mal? Dieser neue Utilitarismus ist erschreckend.

ROBERT OPITZ, Berlin

Was mich an dem Polizei-Mord von London am meisten erschüttert, ist nicht die „moderne“ Version der Hexenjagd eines hysterisierten Staatsapparates – es ist die Effizienz des Terrors, der uns mit eindrucksvollen, aber wenigen Anschlägen dazu bringt, den Rechtsstaat über die Klinge springen zu lassen. Die größte Gefahr für die innere Sicherheit scheint mir nicht im Terror zu liegen (wenn wir weiter den unsäglichen Begriff „Islamisten“ verwenden, kommen wir vielleicht dahin), sondern in unserer Reaktion auf den Terror. Und Deutschland ist wieder ganz vorne mit dabei, ohne dass hier irgendetwas geschehen wäre. CHRISTIAN MEYER, Berlin

betr.: „Polizisten unter Verdacht“, taz vom 25. 7. 05

Leider vermisse ich sowohl in diesem als auch in den anderen Artikeln zum selben Thema das wichtigste und überzeugendste Argument gegen die Hinrichtungen: Wird die Shoot-to-Kill-Doktrin sich durchsetzen, werden Terroristen Schalter verwenden, die beim Loslassen und nicht beim Drücken zünden. Gerade dieses Argument sollte in der Öffentlichkeit mehr zur Kenntnis genommen werden, da aus ihm deutlich wird, dass dieses Vorgehen im Kampf gegen Selbstmordattentäter absolut nutzlos ist und nur zu mehr unschuldig Getöteten führen wird. LORENZ LECHNER, Regensburg

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