■ Zur Einkehr: Brot und Spiele
Wir leben in Zeiten der Erlebnisgastronomie. Herr Wodarz machte es nicht nur in Berlin vor mit seinem Spektakel „Pomp, Duck & Circumstance“, und viele machten es nach. Zum „ChÛteaubriand“ muß man sich Jonglagen, am Tisch serviert, gefallen lassen, die Panna cotta wird von Clownseinlagen versalzen und im Weinkühler schwimmt eine Badeente. Diese Art Gastrotainment in die Schranken zu weisen, sind Barbara Stadler und Erwing Rau angetreten – mit einem Partyservice der besonderen Art. 25 bis 300 Personen bekocht Barbara Stadler an einem Ort Ihrer Wahl, und Erwing Rau trägt Geschichten vor. Geschichten, die hinführen auf die Speisen, die Barbara Stadler aus unspektakulären, aber hochklassigen Zutaten zubereitet hat. Zwischen den Gängen wird wieder vorgelesen aus den „Kulinarischen Abenteuern des Fra Bartolo“.
Vor uns liegen knusprige toskanische panini, selbstgemacht. Ein Kännchen Olivenöl sollen wir nehmen, so wollen es Erwing Rau und das Ritual, das Brötchen brechen und beträufeln. Wie gut, daß wir, durch mehrere Brötchen verleitet, diesen rustikalen Genuß wiederholen können!
Dann kommt die „Zuppa di Zucca alla Caterina“ (Kürbissuppe), in großen Schüsseln serviert. Das Gemüse aus kontrolliertem Anbau aus dem Umland, der Geschmack: Wie eben eine exzellente hausgemachte Suppe schmeckt. Es folgt „Das plattgeschlagene Huhn“, ein Maishähnchen aus Frankreich. Besser als die einheimischen Bio-Hühner, sagt Barbara Stadler. Mit der Erkenntnis, wie sehr sich auf kulinarische Kinkerlitzchen verzichten läßt, wenn nur die Rohstoffe taugen, lassen wir uns von dem glücklichen gallischen Maishühnchen die Geschmacksknospen streicheln. Eine Beilage aus frischen Gemüsen reicht aus, schließlich braucht vom delikaten Geschmack des Maishähnchens nicht abgelenkt werden. Und dann „lockt Fra Bartolo einen hohen Geistlichen in die Niederungen genießerischer Menschlichkeit, durch ein Dessert“. Und die Köchin uns: Das „Semifreddo Supremo“ erweist sich als eine halbgefrorene Versuchung. Reichhaltiger noch als ein Tirami su, beweist das Semifreddo, daß es kalorienmächtiger Kaliber bedarf, um einen „hohen Geistlichen“ zu korrumpieren. Das dürfte in dem Fall dieser typisch toskanischen Nachspeise gelungen sein. Preis für Menü und Erzählung: 50 Mark.
Alexander Musik
Nächste Termine von „Brot und Spiele“: 9.11. im „Popolo“ (Wulwesstr. 11a), 16.11. ebd., 22.11. im „Ambiente“, jew. 19.30 Uhr. Reservierung unter 70 12 68.
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