■ Zur Einkehr: Im Hanlin
Wo gibt's denn sowas: Chop-Sue mit Schweine-, Rind- oder Hühnerfleisch für 6,50 Mark? Oder Süß-sauer mit den nämlichen Fleischsorten für den gleichen Preis. Oder gebratenen Reis mit dreierlei Fleisch für DM 6 Mark? Und das nicht etwa mittags und auch nicht im Stehen, sondern ganz normal am Tisch serviert. Sowas gibt's. Und zwar nicht weit draußen auf dem Land, sondern mitten in Bremen, im „Hanlin“am Wall.
Zugegeben, das „Hanlin“ist keine Gourmetstätte und noch nicht einmal ein gewöhnliches Mittelklasse-Lokal, sondern ein Schnellrestaurant mit der dazugehörigen Bestellung am Tresen und dem eiligen Charme einer nur notdürftig gemütlichen Resopal-Atmosphäre. Dafür aber verströmt der Ort das Flair von internationaler Geschäftigkeit, und man trifft hier ein echt multikulturelles Publikum an, das sich teils aus Studenten, teils aus Touristen, manchmal aus Geschäftsleuten und oft aus all jenen zusammensetzt, die nun mal nicht 50 oder 60 Mark ausgeben können, wenn sie Essen gehen wollen.
Und Essen gehen kann man hier tatsächlich ziemlich gut. Zumindest, wenn man auch mal mit der ganz reellen Asien-Küche vorliebnimmt und keine außergewöhnlichen Raffinessen erwartet. Unter dieser Prämisse nämlich erweisen sich sowohl die Chop-Sue- als auch die süß-sauren Gerichte und erst recht die geröstete Ente (9,90 Mark) als untadelige Mahlzeiten. Freilich kommen sie nicht in der in deutschen Chinaküchen üblichen Menge daher, sondern stillen eher den mittleren Appetit. Aber was macht das schon, wenn die (wirklich gute) Frühlingsrolle gerade mal 3 Mark und die (gleichrangige) Wan-Tan-Suppe 2,50 Mark kosten.
Weniger schön ist aber der immergleiche „Salat“aus ein paar viel zu sauren Mungobohnen-Sprossen und konservierten Paprika-Streifen in Essigtunke. Dafür ist der Reis hier noch schön klebrig-asiatisch und folgt nicht der Unsitte der Uncle-Ben's-parboiled-Gabelriesel-Barbarei.
Wovon man freilich abraten muß, sind die Curry-Gerichte. Denn Curry ist schließlich eine Gewürzmischung von sehr unterschiedlicher Qualität. Und hier schlägt die Low-Budget-Preispolitik des Hauses gnadenlos zu. Was zur Folge hat, daß das Gewürz, das den Gerichten seinen Namen gibt, in diesem Falle gar keins ist. Oder allenfalls eins von muffiger Laschheit. Statt sich also hier auf ein verflüchtigtes Aroma einzulassen, sollte man lieber eine Currywurst zu sich nehmen.
Moritz Wecker
„Hanlin“, Am Wall 186. Geöffnet 12 – 15 und 17 – 21.30 Uhr
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