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■ Zur EinkehrIm Zur Hütte

Haufen verdreckter Erde türmen sich vis a vis der Gaststube. Plastikfetzen wehen von den nahegelegenen Recycling-Firmen am Hafen vorbei. Hinterm Haus reckt sich hinter der Pferdekoppel rostig das Stahlwerk in den Himmel. „Gaststätte zur Hütte“heißt das Etablissement, neben „dem Jugo“die erste Adresse in Mittelsbüren, einer grauen Reihenhaus-Zeile zwischen Autobahn und Werkstor. Hier gibt es Fremdenzimmer, den stillen Zecher am Tresen, Karel Gott auf NDR 1, Segelknoten neben Schiffsbildern über der Bar und Topfpflanzen im Fenster. Sauber. Vor der Tür döst ein Köter.

Frikadellen oder Currywurst „gibt's Montag wieder“, sagt die ältliche Bedienung in roter Glitzer-Bluse. Haake-Beck vom Hahn fließt immer. Vielleicht Baguette? „Schinken oder Salami?“. Ist auch nicht da, tönt es aus der Küche, wie wärs mit Kräuterbutter? Ein Schwenk des Tiefkühl-Pakets verheißt kulinarische Genüsse. Und erst die delikato Salatcreme, 63 % weniger Fett als Mayonaise, die aufgetragen wird auf einem Tablettchen. Dazu entzückende Eduscho-Servietten mit rosa Muster, sorgfältig eingeklemmt zwischen den Zinken der Gabel. Dann die Flöten-Brote: „Wenn sie noch nicht durch sind, müssen Se's sagen, dann stell ich sie nochmal rein“. Sind durch, irre gut, besonders mit delikato Salatcreme. Zwei Bier braucht der Mann zum Runterspülen.

Andere nehmen ein paar mehr in der Gaststätte unter den Fremdenzimmern. Wie der Typ mit dem Stader Auto. Der hat mal ganz fies die Zeche geprellt. War mit so'ner Frau da. Ein Zimmer wollten sie, hat der gesagt. Erstmal haben sie aber gezecht. Dann wollten sie nur kurz die Koffer aus dem Auto holen – und schwupp, weg waren die. Und heute war der wieder da – 23 Mark versoffen, immer Bier und Korn. Und dann, sagt der, merkt er, daß ihm seine Frau den Fuffi aus der Hosentasche genommen hat. Ha. Na ja, er hat seinen Ausweis dagelassen und wollte bis vier Uhr wiederkommen. Jetzt ist es vier und immer noch ist der Zechpreller nicht in Sicht.

Mach kein Gedöns wegen der 23 Mark, krächzt der stille Zecher und setzt seine Halbliter-Becks-Flasche vom Hals. „Halt Dich da raus“. In der Hütte herrscht Ordnung. Und eine Goldgrube muß sie sein. Das Baguette mit Kräuterbutter macht sechs Mark, ist aber dafür auch durch und kommt warm und schon vorgeritzt auf den Tisch. Im Preis inklusive ist Lebens-Theater – und das Pils kostet nur zwei Mark, ist aber auch nicht sehr groß. Viel Spaß im Fremdenzimmer. Joachim Fahrun

Gaststätte zur Hütte, Hüttenstraße in Mittelsbüren

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