■ Zur Einkehr: Am Deich 68
Wer in Bremen die Atmosphäre eines Pariser Bistros genießen will, dem sei das Haus am Deich wärmstens ans Herz gelegt. Denn dort stimmt fast alles. Von der farblich dezenten Einrichtung über das Mezzopiano der Gäste und Lautsprecher bis zum gleichermaßen aufmerksamen wie unaufdringlichen Service. Schließlich befindet man sich hier in einem Haus der Künstler, und die sind bekanntlich sensible Menschen mit einem Gespür für das Verwöhnen aller Sinne. Laut werden sie erst, wenn der Wein einmal doch zu verführerisch aus den Flaschen tropft und sich beim Gang in die Toilettenkatakomben neue Projekte zur baldigen Realisierung aufdrängen. Wie es sich eben für ein echtes Bistro gehört.
Doch zum Essen: Die kleine, monatlich wechselnde Karte bietet allerhand Raffinessen, die selbst kritischer Begutachtung mit einem Profi-Gastronom der Konkurrenz einige Bewunderung abrangen. So zum Beispiel die „Scharfe vietnamesische Fischsuppe mit Tofu-Schnitten“(acht Mark), die mindestens ebenso delikat daherkam wie bei jenem sagenumwobenen Inder am Frankfurter Messegelände, zu dem sich während der Buchmesse die wohlhabenderen Literaten gerne verirren. „Welch Weltläufigkeit!“möchte man ausrufen. Doch auf dem Teppich geblieben: Wir sind in Bremen. Weswegen sich „Fritierte WanTan-Blätter mit Kimchee und marinierten Shiitake-Pilzen“(6,50 Mark) denn auch prompt als etwas zu bemühter Auswuchs neuküchlerischer Exotik erwiesen. Das freilich machte die „Gefüllte Maispoularden-Brust im Pergament-Mantel, Gemüse-Streifen, Rotwein-Salbei-Butter und Farfalle“(25 Mark) spielend wett. Denn von der Sauce mit Suchtpotential über die punktgenauen Farfalle bis zu der zartgefüllten Brustkonsistenz stimmte alles. Und laut Profikollege Gastronom galt gleiches allemal für die „Zwei gebratenen Seeteufel-Spieße mit Miesmuschel-Sauce, Zucchini-Karotten-Gemüse und Rosmarin-Kartoffeln“(26 Mark). Und wer als Vegetarier die „Gemüse-Spaghetti mit Austernpilzen a la Creme“(18,50 Mark) bevorzugt, sich dabei aber ob der Creme um die Linie sorgt, dem läßt der Koch gerne vorher eine fettärmere Variante zum Probieren und gemeinsamen Abstimmen bringen. Und was selten ist: Die Desserts (diesmal „Orangen-Panna-Cotta“und „Erdnuss-Mousse auf Pflaumen-Sauce“– beide sieben Mark) krönten den Genuß als wahrhaftige Kunstwerke von raffiniertester Komposition. Herrlich, ein Bremer zu sein!
Moritz Wecker
Restaurant am Deich 68, täglich ab 18 Uhr
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