■ Zur Einkehr: Weihnachtsmarkt
Die Weihnachtszeit ist, essenstechnisch betrachtet, pervers. Zwar härtet das voradventliche Trainingslager mit Lebkuchen, Spritzgebäck, Dominosteinen und Spekulatius für die Dezemberfestspiele einigermaßen ab, aber im finalen Qualitätstest – dem allseits höchst beliebten Weihnachtsmarkt – wird nochmals streng gesiebt, so daß nur die durchkommen, die mit Stahlmägen gesegnet sind und den kollektiven Geschmacksnerven-GAU bereits in den vergangenen besinnlichen Perioden erfolgreich durchgestanden haben.
Unter 20.000 Kalorien pro Mahlzeit kommt dieser Tage niemand weg, der sich zum Bummel zwischen Dom und Hanseatenhof verleiten läßt. Wir wollen nicht übertreiben, aber die Fettmengen, die bis Heiligabend in den Ständen des Weihnachtsmarktes verbruzelt werden, verursachten, leitete man sie anstatt in Bremer Mägen in die Weser, eine Hochwasserkatastrophe. Mindestens. So aber wird, den Gesetzen der hohen Politik folgend, dieses brisante gesundheitspolitische Problem wieder individualisiert. Am Ende eines jeden Bummels trägt wieder jeder für sich seinen Fettklumpen heim. Aber bis es soweit ist, merkt man eh nichts mehr. Schließlich laden allenthalben Hüttenpünsche, Glühwein- und Grogstände zum Betrinken ein, so daß man schwippsdiwitz die Runkel ans Leuchten gebracht hat. Ist aber auch gut so, es wird in diesen kurzen Tagen ja sooo schnell dunkel. Und wenn die Lampe glüht, findet man besser den Weg nach Hause.
Innovationen inmitten der Tradition – auch das gibt es zu entdecken. „Pommes Fritz“, schräg gegenüber vom Domportal, verspricht als „neue Spezialität“Fettstäbchen „aus frischen Kartoffeln“. Da wirft sich die Stirn zwangsläufig in tiefe Falten: die Milliarden kleiner Pappschalen Pommesrotweiß, die in der Jugendzeit ihren segensreichen Weg durch den Verdauungstrakt antraten, womit waren sie nur gefüllt, wenn es keine Erdäpfel waren? Denken wir lieber nicht darüber nach, sonst kommt Endzeitstimmung auf. Aber ein kurzer Blick auf „Trumph's himmlischer Imbiss“lenkt schnell von diesen trüben Gedanken ab. Bockwurst, Wiener, Bratwurst – das Speisenangebot im Jenseits ist offenbar nicht von der Art, daß man die Auferstehung heiß herbeisehnen würde. Bleibt also doch nur, Vorlieb zu nehmen mit den irdischen Fettapfeltaschen, Fettberlinern, Schmalzkuchen und Fettreibekuchen. Man könnte natürlich auch die ein oder andere Laugenbrezel dazwischenschieben. Aber davon lassen wir lieber die Finger. Ist nicht fettig genug. Und wofür haben wir schließlich so hart trainiert? zott
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