■ Zur Einkehr: Im Hanlin
Gibt es eigentlich dicke ChinesInnen? Nicht nur leicht pummelige oder etwas aus der Form geratene, sondern so richtig schwabbelige, burgergefüllte Möpse? Nein, die gibt es nicht, weil die nicht ins Ausland dürfen und sich in der Heimat als Sumo-Ringer verdingen müssen. Der hiesige gemeine Chinese ist, so der landläufige Augenschein, ebenso wie die hiesige gemeine Chinesin spindeldürr und nicht älter als 30 Jahre alt – was Anlaß zu den wunderlichsten, abgründigsten, ekelhaftesten und morbidesten Mutmaßungen geben könnte. Die wir hier jedoch nicht anstellen, weil wir lieber über das chinesische Restaurant Hanlin berichten wollen. Unweit von Boutiquen gelegen, die sich nicht schämen, Schuhe zum Preis eines Kleinwagens ins Schaufenster zu stellen, umgeben von Haushaltswarenläden, wo kreuzordinäre Löffel im Wert eines taz-Monatsgehalts verkauft werden, und Buchhandlungen, die ihre sündhaft teuren Kunstbildbände durch die Auslage des Büchleins „Aldidente. 30 Tage preiswert schlemmen“zu ironisieren suchen, heimst Hanlin allein deshalb einen dicken Symphatiepunkt ein, weil es wagt, sich per Leuchtreklame als „Schnellrestaurant“zu outen.
„Si ho ha sate sate“,sagt ein schlanker Kellner, woraufhin die allenfalls 30jährige Kellnerin entnervt „Ha pö va de lo qua“antwortet: In einem solchen Ambiente gedeihen Krupuk, Wan Tan Suppen, Chop Suey mit Schwein, Rind, Huhn, Ente, Shrimps, Fisch und weitere 40 Gerichte. Nach undurchschaubarem System sind die Speisen, versehen mit einer S- und Zahlensignatur, über die einseitige Karte verteilt – zu Preisen, die dem ZEIT-Siebeck mit Sicherheit massive Zweifel in den handgetriebenen Laptop treiben würden. Maximal 9,50 Mark kostet ein Gericht und sieht nicht einmal danach aus. Auf mensatypischen Tellern gibt es, ordert man z.B. S 132, den obligatorischen Onkel Wang Klebtimmerreis. Dazu gesellt sich ein winziger Sojasprossensalat, während die Hälfte des Tabletts mit einer eindrucksvollen Portion Gemüse belegt ist. Die Champignons kommen aus der Dose, die Morchelpilze sehen aus wie überfahrene Nordseequallen, und die Wärme des Essens liegt knapp über Raumtemperatur. Na und! Beim Chinesen schüttet man eh ein Glas braune Brühe übers Essen, ruiniert danach durch gezielten Griff zum feuerroten Gewürz die letzten Geschmacksknospen und ergötzt sich anschließend süß-sauer oder sonstwie an der Vorstellung, für so wenig Geld auch noch satt geworden zu sein. zott
Am Wall 186, von 12-15 u. 17.30-21.30 Uhr
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