piwik no script img

■ Zur EinkehrWorpsweder Bahnhof

Harte Bedingung: Essenssuche in einer Touristenhochburg. Erschwerte Bedingungen: Essenssuche in einer Touristenhochburg mit ältlichen, geschmacksdifferierenden Anverwandten. Nahezu aussichtslose Bedingungen: Essenssuche mit Anverwandten, die durch die Einwirkung von Bratwurst tragender Gebißteile verlustig gegangen sind. Die Lösung: Bahnhof Worpswede. Aber Fallstricke pflastern den Weg ins Glück. Zwischen Haus im Schluh und Barkenhoff locken griechische Tavernen den Fremdling. Der Berg Athos ist trotzdem nicht da. Und um die „Große Kunstschau“rotten sich Horden zuckriger Cafés. Doch die nette Empfangsdame im Haus im Schluh befiehlt zupackend: „Na, wo Sie doch hier den Bahnhof Worpswede auf Heinrich Vogelers Entwurfsskizze schon mal gesehen haben, wäre es doch am klügsten, ihn auch in echt zu begutachten.“Der Bahnhof ist ganz Dach und ein bißchen rosa Jugendstil darunter. Und er ist stillgelegt. Aber es tröpfelt zarte Weltmusik durch die ehemaligen Warteräume. Grooviger Afrikasound. Oder seltsames Maultrommelgeheule. Es muß aus drei goldenen Schwanenkehlen kommen. Ach nein, sind ja nur die Bierzapfhähne. Keine Frage. Der Laden ist in der Hand jugendlicher Pächter. Und die denken scheinbar auch an alte Menschen mit zerborstenem Gebiß. Jedenfalls gibt es neben den Klassikern Schweinemedaillon, Tafelspitz und diversen Fischherrlichkeiten auch interesseweckende, amorphe Häufchen. Unter deren Teigabdeckung gibt es viel zu entdecken. Zum Beispiel zimtnelkiges Apfelmus unter Sauerrahmdecke. Oder Hackfleischberge mit Ziegenkäse und Paprika. Crepes eben. Wie konzipiert für Liebhaber von Überraschungseiern.

Den langen Entscheidungsfindungsprozeß in der Frage, ob man Mineralwasser und Rhabarbersaft lieber getrennt oder zusammengeschüttet möchte, begleitet der Kellner mit beachtenswerter Geduld – und drittem Glas, das alle Optionen offenhält. Das Paradies? Ach da ist ja auch Novalis' Blaue Blume, genauer eine weiße Blume, geschliffen in blaues Fensterglas. Ob es dort auch jenes Hightech-Toilettenmonstrum gibt, dessen kleines Greifärmchen den Sitzring reinigt? Der dreht sich ausgelassen und sieht dabei aus wie eine Dalische Knautschuhr. Und drumrum viel knorriges Holz. bk

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen