piwik no script img

■ Zum späten Genfer Abkommen über einfache LandminenBegrüßen wir es trotzdem

Seit 70 Jahren ist die internationale Diplomatie in Genf damit beschäftigt, wenn schon nicht den Krieg, so doch wenigstens besonders „inhumane“ Waffen völkerrechtlich verbindlich zu ächten. In diesen zähen Bemühungen ist man gezwungen, die absurde Unterscheidung in „humane“ und „inhumane“ Waffen zu akzeptieren. Sehr viel ist dabei auch nicht herausgekommen. Dies verwundert nicht, denn ein Waffentypus scheint immer nur dann eine Chance zu haben, mit dem Ziel der Ächtung verhandelt zu werden, wenn er der kriegsplanenden Generalität nicht beherrschbar erscheint oder gar das eigene Kanonenfutter gefährdet. Die Ächtung der chemischen Waffen ist auf diese Weise nach jahrzehntelangen Diskussionen im letzten Jahr in einem Abkommen fixiert worden. Zu Beginn dieses Jahrzehnts haben amerikanische Friedenslobbyisten die Landminen auf die politische Tagesordnung gesetzt. Scheinbar überraschend kam es zu einer Mehrheit im US-Kongreß für eine Ächtung. Nach Ausschaltung vielstimmiger, auch deutscher militärischer Widerstände wird nun ein Abkommen zur Ächtung einfacher Landminen festgezurrt.

Warum kam der Durchbruch erst nach Jahrzehnten Widerstand? Meine Hypothese lautet: Mit dem Ende des Kalten Krieges war eine Bedrohungslücke entstanden. Zwar bewahrte Saddam Hussein die militärisch-industrielle Lobby vor dem Schlimmsten, aber die Grundstimmung der demokratischen Mehrheit im Kongreß war ein Unsicherheitsfaktor. Verstümmelte Kinder in Ländern wie Afghanistan, Angola, Mosambik, in denen zuvor amerikanische Politik über Jahre Bürgerkriege gehegt hatte, drohten eine grundsätzliche Stimmung gegen das Mittel des Krieges in der Politik zu fördern. Daran konnte den Strategen im Pentagon nicht gelegen sein, arbeiten sie doch mit Hochdruck an Hochtechnologieszenarien, automatisierten Schlachtfeldern mit „Fernbedienung“, die den Krieg als Mittel der Interessendurchsetzung wieder führbar und politisch durchsetzbar machen sollen. Hierfür braucht man viel Geld und politische Unterstützung. Da schien es opportun, bei den Minen klein beizugeben. Dies fiel um so leichter, als es noch rechtzeitig gelang, mit High-Tech ausgestattete Minen von der Ächtung auszunehmen. Ein genialer Schachzug, denn diese teuren Landminen können nicht im Hinterhaus armer Länder gefertigt werden. Ein neuer Markt für eine alte Industrie öffnet sich da.

Diese unheilige Koalition aus Rüstungskontrollkämpfern und strategischem Interesse der Hochtechnologiegeneralität in reichen Industrieländern hat ein Abkommen hervorgebracht, das zunächst wenig bewirkt. Begrüßen wir es trotzdem, weil es politischen Raum schafft, Krieg als Mittel der Politik zu ächten. Peter Lock

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen