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■ Zum letzten Störfall der Hoechst AGEin Fall für die Treuhand

Wenn gelbe Schmiere auf blankpolierten Autos und unkrautfreien Vorgärten liegt, wenn pure Schwefelsäure über die Dächer treibt, dann spätestens muß der Staat eingreifen. Aber was soll er tun? Hessens grüner Umweltminister droht, dem Hoechst-Konzern die Erlaubnis zu entziehen, chemische Anlagen zu betreiben. Das dafür nötige Gesetz liegt längst vor. Die Frankfurter Störfallkette begründet jeden Verdacht, daß dem Betreiber jene „Zuverlässigkeit“ fehlt, die das geltende Recht fordert. Was dann? Die Retorten lägen still, aber Zehntausende ständen arbeitslos auf der Straße.

In Bonn meldet sich der christdemokratische Umweltminister mit einem weiteren Vorschlag zu Wort: Klaus Töpfer möchte dem Management nach parlamentarischem Vorbild ein Zweikammersystem verordnen, das die Zuständigkeit für die Produktion von der Zuständigkeit für die Sicherheit trennt. Dieser Eingriff in die Organisations- und Personalstruktur privater Unternehmen wäre beispiellos, ebenso begründet aber wären die Zweifel, ob sich damit die Gefahr weiterer, womöglich größerer Katastrophen bannen ließe. Auch die Sicherheitsabteilung bliebe dem Gesamtinteresse des Kapitaleigners untergeordnet, auch der Sicherheitschef im Vorstand wäre nur so stark wie sein Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg der Firma.

Fischer kommt zu spät, Töpfer zu früh. Offensichtlich ist das Hoechst-Management seit Jahren unfähig, seine Fabriken ordentlich zu betreiben. Der Rücktritt des Vorstandschefs Hilger ist fällig und käme der ganzen Branche nur gelegen, die um ihren Ruf fürchtet. Aber eine Aufblähung der Konzernverwaltung nach Töpfers Idee schriebe nur den alten Zustand fort. Jahrzehntelang hat Hoechst mit veralteten Anlagen und gängigen Massenprodukten gewirtschaftet. Wie die letzte Bilanz beweist, ist damit nicht einmal mehr Geld zu verdienen. Der Konzern ist wirtschaftlich und technisch am Ende, Arbeitsplätze sind ebenso bedroht wie Luft, Boden und Wasser ganzer Stadtteile.

Hoechst ist ein Fall für die Treuhand. Warum eigentlich sollen nur ehemalige DDR-Betriebe abgewickelt werden? Warum nicht auch einmal ein westliches Kombinat, das nicht weniger versagt hat? So nämlich wäre der Ruf nach dem Staat vernünftig, hätten Fischer wie Töpfer eine Chance. Wie im Osten wären auch hier unter staatlicher Oberaufsicht kompetente Investoren zu suchen, Unternehmer, die bereit sind, wenigstens einen Teil der Arbeitsplätze zu retten, und Manager, die geltene Gesetze beachten, weil sie inzwischen eingesehen haben, daß die Sicherheit der Produktion über die wirtschaftliche Zukunft der Produkte entscheidet. Niklaus Hablützel

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