: Zum Wohle
■ Das Gesicht aus Bonn hat jetzt seine Rente durch: WDR-Intendant Friedrich Nowottny wird heute 65
In einer Kneipe am Rhein, da wo der WDR-Intendant ab und zu ein Bierchen mit seinen Zuschauern trinkt, erinnert man sich immer wieder gern an alte Fernsehgrößen: „War'n das Zeiten, zehn Jahre ist es erst her. Freitagabends, da kam er immer, um halb elf, der Nowottny, der spitzbübische. Und immer das Gefühl: Gleich grinst er wieder hinter der viiiel zu großen Hornbrille. Und dann sagt er's wieder, bisher hat er's immer gesagt: ,Das war der Bericht aus Bonn. Gutenabenddaswetter.‘ Grins. Siehste, sag' ich doch, er sagt's immer. Das ,Gesicht aus Bonn‘ hat man ihn in der Zeitung genannt, Pfeifenraucher des Jahres war er, Goldene Kamera, Bambi, Entertainer des Jahres und was sonst noch alles. Aber so richtig frech war er eigentlich nie, eher lustig, unterhaltsam, beinahe könnte man glauben, der hat das Infotainment erfunden, jedenfalls 'n bißchen. Der Nowottny, der konnte nämlich immer mit allen gut. Und jetzt?
Jetzt ist er Intendant vom Westdeutschen Rundfunk, WDR. Also genau ist er das seit Juni '85. Seitdem sieht man ihn nicht mehr. Schade eigentlich. Und fünf Jahre später ist er sogar schon mal wiedergewählt worden. Aber '96 will er aufhören, hat er gesagt, dann will er nicht mehr.
War auch immer umstritten, der Nowottny, rundfunkpolitisch, mein' ich. Schon als er '85 gewählt wurde vom Verwaltungsrat, war zuerst nur die CDU für ihn. Und dann hat Helmut Kohl die FDP- Leute zusammengestaucht, die beim WDR in all den Räten saßen. Die haben sich denn alles noch mal überlegt, und so isser Intendant geworden. Eigentlich kaum zu verstehen, daß die SPD was gegen Nowottny hatte. Immerhin war der doch mal ,als junger Mann mit den Jusos sehr verbunden‘. Hat er selber gesagt. Aber im katholischen Westfalen, da wo Nowottny zuerst Versicherungskaufmann und dann Zeitungsjournalist war, sieht man die Jusos noch heute lieber von hinten. Klar, daß man da ,Loyalitätskonflikte‘ kriegt.
Auch wenn man sich in Köln so umhört, isser ja nicht bei allen beliebt. Ein Choleriker soll er sein, schreit ziemlich rum mit seinen Leuten, sagen manche. Eben so'n richtiger Napoleon. Aber zu uns isser immer sehr höflich. Er liebt sein Publikum. Betont er immer wieder. Und wenn er nächstes Jahr nicht mehr Intendant ist und sich mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern mal wieder so richtig erholt hat, sehn wir ihn bestimmt wieder. Ab heute hat er ja die Rente durch. Zum Wohle, Herr Nowottny.“ Achim Baum
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