: Zum Verharren gezwungen
betr.: „Behinderte sollen Bahnfahrten bezahlen“, taz vom 9. 6. 04
Zunächst einmal: Es stimmt nicht, dass Behinderte umsonst mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können. Sie zahlen für eine so genannte Wertmarke 60 Euro im Jahr und können dann im Umkreis von 50 km um den Wohnort mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus, Straßenbahn, Nahverkehrszüge, S-Bahnen) fahren. Alternativ können sie jedoch auch eine Kfz-Steuerermäßigung beantragen.
Richtig ist jedoch, dass die Behindertenausweise auch für Fahrten in anderen als dem heimischen Verkehrsverbund gelten. Sollte sich die Bundesregierung mit ihrer Position durchsetzen, werden vor allem Menschen auf dem Land benachteiligt. Wenn es in der Heimatstadt keinen Verkehrsverbund gibt und der ÖPNV sowieso nur schwach ausgebaut ist, verlieren diese Menschen ein Stück ihrer Mobilität. Damit spart man an der falschen Stelle. Warum hebt man nicht die Gebühren an? Damit kann man mehr einnehmen und für diejenigen, die sich dies nicht leisten können, eine andere Regelung finden. MARTIN JUNGWIRTH, Vechta
Die geplante Beschränkung der Freifahrten für Behinderte auf ihren Wohnort ist eine Beschränkung ihrer Freiheit. Ein weiterer Schlag gegen einen kleinen Rest von Lebensqualität. Ein Schlag gegen die Würde von behinderten Menschen. Gefesselt nicht nur an Rollstuhl und Krücken, gefesselt an den eigenen Ort. Residenzpflicht lautet ein Begriff aus der Gesetzessprache. […] Begründung: notwendige Sparmaßnahme über 17 Millionen Euro. Täter: die Politik. Jene Damen und Herren, die zum Beispiel durch unüberlegte, ja schlampige Steuergesetzgebung Vodafone und anderen Konzernen Abschreibungen in Milliardenhöhe auf Kosten aller Bürger rechtlich legitimieren. Jene Damen und Herren, die Freiflüge genießen, an Sponsorenbuffets schlemmen und sich ihrer Macht und Freiheit erfreuen, immer mehr die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft zu attackieren, zu demütigen und in ausweglose Situationen zu treiben. […] STEFAN DERNBACH, Siegen
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.