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■ Urdrüs wahre KolummneZum Veganismus bekehrt

In der Straßenbahn breiten zwei ziemlich breithintrige Damen ziemlich breit die Gesundheitsprobleme einer nichtanwesenden dritten Dame aus. Darmkrebs hat sie, aber nicht normal so schlichtweg, sondern bis in die Lunge hinein, und über die Entstehung dieses krebsigen Spezialfalls ist man sich schnell einig: „Umwelt, Filterzigaretten und zuviel Nervosität“. Diese ausführliche Erörterung schließlich wird einer jungen Frau samt Kleinkind offenbar zuviel, denn im entschiedenen Pathos droht sie: „Ein Wort noch, und ihr habt keine Zeit mehr, am Lungenkrebs zu sterben!“ Jaja, die Nervosität...

Auf dem Weg in die Redaktionsstube dieses Blattes bleibt man heute erstmals nicht verschont von den schmierigen Angeboten der Bürgerpark-Tombolisten mit dem Deejay-Charme rustikaler Diskotheken in Kuhstedt, Emtinghausen oder anderswo. Die hinter all dem steckende Mafia der Autofahrerpartei Bremen(AFB) aber hält sich im Verborgenen und schickt als treuen Schirmherrn den Prinzregenten Wedeklaus vor. Sie begnügt sich selbst einstweilen damit, nagelneuen Rollschrott als Hauptgewinn auf die Rampe zu schieben, damit die kühne Vision dieser blechernen Ritter ihrer Verwirklichung näher rückt: Ganz Bremen ein Parkplatz und im Schnoor eine Ponykutsche als öffentlicher Nahverkehr auf der grünen Welle der Vernunft mit Heini Holtenbeen als Kutscher. Wenn sich doch bitteschön mal die HipHop-Sprayerposse des glänzenden Lacks der ausgepreisten Neuwagen annehmen würde!

Im kleinen Buchladen des Bremer Samba-, Sushi- und Reikiviertels war dieser Tage folgendes zu hören: „Ja und dann sind im Vorverkauf heute acht Karnevalskarten weggegangen und zwei Tickets für Buchenwald. Mit Arbeitslosenermäßigung.“ Früher aber, weiß Deutschmann, früher ging's für Arbeitsscheue noch zum Nulltarif im Sonderzug zur Rampe.

Im Bücherangebot für die treuen LeserInnen niedersächsischer Heimatzeitungen findet sich dieser Tage das Werk „Kinder kochen mit Vergnügen“. Wenn eine solch zynische Form der Familienplanung populär wird, könnte ich mich durchaus vorbeugend zum Veganismus bekehren.

Mit Sozialhilfekarrieren beschäftigte sich kürzlich die CDU-Bürgerschaftsfraktion und zeigte sich über die Informationen der Praktiker aus der Sozialbehörde sturzbetroffen. Trotz ihrer bevorstehenden Wahlniederlage aber hat die FDP-Bürgerschaftsfraktion noch nix dergleichen getan, um ihre hauptamtlichen Partei- und Fraktionsmitarbeiter auf den nahen Tag vorzubereiten, da der Bargeldautomat die Scheckkarte einbehält und auf dem Bildschirm peinlich, peinlich aufleuchtet: „Bitte sprechen Sie mit unserer Kundenberatung“. Sowas nennen wir mangelnde Fürsorge: Die Herren Chefs landen auf feschen neuen Hochlehnsesseln im Kundenkreis des alten Freisinns, und die Indianerriege hockt unter den Rathausarkaden und wird vom Sparkassenonkel Rebers wegen des Stadtbilds mit den Tauben zusammen verjagt.

Kaum jemand aus dem hier versammeltem Lesepublikum wird der Familie K. aus Walle helfen, die per Aushang im Bäckereifachgeschäft fragt: „Er war uns wie nichts so lieb/ doch dann kam ein feiger Dieb und stahl uns unsern Pudel Wisky./ Jetzt sind wir traurig alle Tage und stellen jedem Mann die Frage/ Wo mag nur unser Wisky sein? Wir zahlen Belohnung nicht zu klein!“ Vertrauliche Hinweise auf den Verbleib dieses schwarzgekrausten Lieblings mit rotem Halsband leiten wir gern weiter und wollen auch von der Belohnung nicht zu klein kein einziges Prozent Provision. Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! Also etwa so wie

Ulrich Reineking-Drügemöller

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