Zum Tod von Brigitte Seinsoth: "Eine Komplizin der Künstler"

Wer das Wirken Brigitte Seinsoths verstehen will, muss ihre Künstler fragen: Maler Norbert Schwontkowski erklärt, wie die Galeristin ihn von der Arroganz heilte.

In memoriam Brigitte Seinsoth. Bild: Andrea Luehmann

taz: Herr Schwontkowski, wie haben Sie Brigitte Seinsoth kennengelernt?

Norbert Schwontkowski: Das war Anfang der 80er Jahre. Ich habe eine Weile in Hamburg gelebt und bin gerade nach Bremen zurückgezogen. Ich bekam eine kleine Tochter, die Mutter lebte in Bremen, wir sind dann zusammen nach Walle gezogen. Brigitte hat dann meine Arbeiten kennengelernt, mir war ihre Galerie bekannt. Sie stellte damals Künstler aus der Clique um Thomas Hartmann und Hartmut Neumann aus, Studenten des Malers Jürgen Waller.

Wie sah damals die Galerien-Szene in Bremen aus?

Die Galeristin Brigitte Seinsoth ist vergangene Woche im Alter von 74 Jahren gestorben. Besonders für subversive Kunst hat sie sich zeitlebens eingesetzt. Neben Alison Knowles und Daniel Spoerri gehörte auch der Bremer Maler Norbert Schwontkowski zu den Künstlern, deren Werke sie in ihrer Galerie Beim Steinernen Kreuz ausstellte.  

Die war sehr viel lebendiger als heute. Ihre Galerie war frisch eröffnet. Ihr Mann Udo betrieb in der unteren Etage des Hauses ein Antiquariat. Die Galerie haben sie zunächst gemeinsam betrieben. Sie lud mich dann 1984 ein, bei ihr auszustellen, es war meine zweite Einzelausstellung. Ich hatte vorher in der Galerie der Gruppe Grün ausgestellt. Die waren damals sehr aktiv und hatten ein gutes Programm.

Wie haben Sie zu dieser Zeit gearbeitet?

Ich habe zu dieser Zeit unterschiedliche Dinge gemacht. In der Galerie Grün etwa habe ich Reis gepflanzt und Super-8-Filme auf Milch-Oberflächen projiziert. Ich hatte wenig Geld und konnte mir kaum Leinwände kaufen. Bei Brigitte habe ich Arbeiten auf Papier gezeigt. Immerhin konnte ich für 1.000 oder 2.000 Mark Bilder verkaufen. Das war für mich ein großer Erfolg. Ich habe dann regelmäßig alle zwei, drei Jahre in der Galerie beim Steinernen Kreuz ausgestellt.

Welchen Hintergrund hatte sie?

Sie hatte eine Ausbildung als Apothekerin gemacht. Ihr Mann war als Lehrer einer der ersten, die vom Berufsverbot betroffen waren. Aus ihrem gemeinsamen Interesse an Kunst heraus, begannen sie Ausstellungen zu organisieren, er eröffnete sein Antiquariat.

Sie hatte zusammen mit ihrem Mann in der Villa Beim Steinernen Kreuz eine Art Kulturzentrum geschaffen?

Ja, neben Ausstellungen fanden auch Lesungen statt. A. C. Hartmann zum Beispiel, oder Gerhard Rühm von der Wiener Gruppe. Ein Kunstzentrum war es auf jeden Fall. Sie stellte Künstler aus Wien oder Düsseldorf aus. Ihre Galerie hatte allerdings einen regionalen Schwerpunkt. Sie hatte es geschafft, die wichtigsten jungen Künstler aus der Region an ihre Galerie zu binden. Hartmann und Neumann hielten ihr auch nach ihrem Wegzug die Treue.

Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu Brigitte Seinsoth?

Sie hat mich damals auf den Boden der Tatsachen gebracht. Ich war arrogant und interessierte mich für kaum etwas anderes als mich selbst. Als Künstler war ich sehr aktiv. Als sie auf den Plan trat, wurde das Ganze realistischer. Ich merkte, dass es Interesse an meiner Kunst gab, Leute sie sogar kauften. Das habe ich vorher nicht gedacht. So brachte sie mich in eine Situation, in der ich mich professionalisieren musste.

Was hat Ihnen an ihr besonders imponiert?

Sie unterschied sich von allen Galeristen, die ich später kennenlernen sollte. Es war eine Art Freundschaft, die sie stets zu ihren Künstlern gesucht hat. Sie interessierte sich nicht nur für das Werk, sondern auch für die Person, die hinter dem Werk steht. Das Wohlbefinden ihrer Künstler lag ihr sehr am Herzen. Manchmal rief sie an und fragte einfach, wie es mir geht und ob sie mir irgendwie helfen kann. Ihr Bezug zur Kunst war vor allem von einer tiefen Leidenschaft getragen. Sie machte sich zur Komplizin der Künstler, indem sie sich an ihrem subversiven Werk beteiligte. Die Abgrenzung gegen das Bürgerliche war ihr wichtig. Selbstverständlich hatte sie als Galeristin mit dem Bürgertum zu tun. Schließlich waren das die Leute, die Geld hatten, um Kunst zu kaufen.

Können Sie sich an den Anfang ihrer schweren Krankheit erinnern?

Das war vor etwa zwei Jahren. Ich habe das immer verdrängt, wollte es nicht wahrhaben, habe mir immer gesagt, das würde schon wieder vorbeigehen, bis sie mir irgendwann sagte, dass sie nicht mehr gesund werden würde. Das war ein Schock. Ihr Interesse an Kunst hat dadurch keineswegs abgenommen. Im Gegenteil sagte sie einmal, sie bräuchte die Kunst zum Leben.

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