Zum Tod des Gitarristen Bo Diddley: Hymnen für Halbstarke
Er ließ es krachen - grob und elektrifiziert: Bo Diddley, einer der Gründerväter des Rock'n'Roll ist vergangenen Montag gestorben.
Es gibt die feinsinnigen Rockgitarristen und es gibt die Grobmotoriker. Zur zweiten Gruppe gehört der afroamerikanische Musiker Bo Diddley. Oder besser: Er begründete sie.
Bo Diddley beeinflusste mit seinem Gitarrensound Legionen von Gitarristen. Diddley ist nicht nur einer der founding fathers des Rock n Roll, er steht Pate für die Garagenbands der Sechziger, für den Primitivismus, mit dem Punk ab 1976 den Pomp des Progressiven wegfegte, und für jene reduktionistischen Rock-Weirdos, die seit den Achtzigern mit ihren Äxten vom Mainstream-Klang abweichen. Die Fan-Schnittmenge umfasst Keith Richards ebenso wie Patti Smith, Jack White oder Dave Sitek (TV on the Radio). Irgendwann landen alle bei Bo Diddley und seiner würfelförmigen, aus dem Kunststoff Bakelit bestehenden Gitarre.
Diddley kam als Ellas Botha Bates am 30. 12. 1928 auf einer Farm nahe dem Ort McComb im US-Bundesstaat Mississippi zur Welt. Im tiefsten Süden. Als Zwölfjähriger bekam Diddley von seiner Schwester eine Geige geschenkt, die er, unwissentlich, mit einem Plektron bearbeitete. Und seither lässt er die Säge sägen. Nach der Schule gründete Diddley mit zwei Freunden die Band The Hipsters. Mangels Konzert-Engagements traten sie auf der Straße auf und setzten sich durch, nur weil Diddley einen Gitarrenverstärker benutzte und zwischen Gitarre und Verstärker ein aus Autowrackteilen und einer Uhr zusammengebasteltes Tremolo-Effektgerät schaltete.
Damit ist Bo Diddley ein frühes Beispiel für die unkonventionelle Anwendung von Technologie. Eine Art Einmann-Public-Enemy-Bombsquad im Landeimodus.
Vielleicht lag es an den mesmerisierenden Momenten der Gospelgottesdienste, die er als Kind besuchte, vielleicht war auch der Countrysong "Jingle Jangle" von Gene Autry schuld, der Bo Diddley vor dem Radio verzauberte, jedenfalls trieb er mit seinem erdigen Gitarrensound dem Country-Blues bald die Verzweiflung mit Elektrizität aus. Und die war Anfang der Fünfzigerjahre flächendeckend nur in der Großstadt zu haben.
In Chicago zum Beispiel, wo Diddley, wie viele Schwarze aus dem Süden, seine Zelte aufschlug und 1954 beim R&B-Label Chess Records mit der Single "Im a man/Bo Diddley" reüssierte. Dieses selbstbewusst hingebratzte "Hey, Bo Diddley" sollte den Ruf des singenden Gitarristen mit dem schwarzen Hut und der Panzerknacker-Hornbrille in der Folge festigen: Damit schuf sein Komponist einen Signatur-Sound, Hymnenmaterial für die Rebellion aller "Halbstarken", die nicht mehr rumsaßen wie die Eltern, sondern auf den Beinen waren.
In Diddleys Händen wird die E-Gitarre zum metallisch klingenden Krachmacher, zu einem Symbol für kinetische Energie. Diddley spielte die Gitarre wie andere die Drums. Mit der ganzen Hand schlug er die Saiten an. Und dazu setzte er ein Unschuldsgesicht auf. Das eingeschaltete Tremolo lässt die Saiten ungut nachbrutzeln. Nicht ein Gitarrist spielt hier, sondern es sind drei, denkt man, wenn Diddley diesen unnachahmlich synkopierten 5/4-Beat, der dem afrikanischen Hambone-Rhythmus nachempfunden ist, anschlägt.
Trotzdem machte Diddley in den Sechzigerjahren harte Zeiten durch, kam erst durch das wiedererwachende Interesse an der seltsamen alten Musik am Ende des Jahrzehnts wieder zu Auftritten. Natürlich wurde er später in die Rock n Roll Hall of Fame aufgenommen, spielte US-Präsidenten vor. All die Ehrbekundungen "machten sich jedoch nicht auf meinem Bankkonto" bemerkbar, sagte er einmal zerknirscht.
Am Montag ist Bo Diddley nach einem Herzinfarkt in seinem Haus in Archer, Florida, gestorben.
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