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■ Zum Stopp der Hilfslieferungen nach ZentralbosnienVerhungernhilfe?

Die Antwort der internationalen Hilfsorganisationen auf den gewaltsamen Tod eines dänischen Fahrers ist eindeutig und schnell ergangen: Bis auf weiteres werden die Hilfslieferungen für die hungernde Bevölkerung im restbosnischen Gebiet gestoppt. Die drei Kriegsparteien sollten endlich die Arbeit der Hilfsorganisationen respektieren. Ehrenhaft bei dieser Haltung ist immerhin die Fürsorge für die Fahrer, die einen gefährlichen Job verrichten. Doch die Begründung zielt auf etwas ganz anderes.

Indem die „drei Kriegsparteien“ – als seien sie losgelöst von jeglichen unterschiedlichen Interessen – als „gleiche“ betrachtet werden, offenbart sich das Dilemma der Hilfsorganisationen seit Beginn des Krieges. Es wird schon gar nicht mehr gefragt, wer denn die Bevölkerung Restbosniens in eine Lage gebracht hat, die Hilfslieferungen überhaupt erst notwendig macht. Ohne Zwangsabgaben auch an die Täter hätten die Opfer nicht bedacht werden können, selbst die Armeen werden so durch Hilfslieferungen am Leben erhalten: Ohne die internationale Hilfe etwa hätten die Belagerer von Sarajevo nach eigener Einschätzung schon im letzten Winter ihren Druck auf die Stadt lockern müssen.

Den angreifenden Armeen gegenüber bleibt man auch weiter kulant. Doch die Hilfslieferungen, die nur 20 Prozent des eigentlichen Bedarfs in Restbosnien ausmachen, in Richtung Zenica werden nun gestoppt. Der Fingerzeig für die jetzt schon hungernde Bevölkerung Restbosniens ist nicht zu übersehen. Ihre Existenz, ihr Widerstand hängen vom guten Willen der Hilfsorganisationen ab. Noch ist deren neuerliches Verhalten nicht mit der offenen Forderung verbunden, alle von außen vorgegebenen politischen Lösungen seien zu akzeptieren. Doch es braucht nur von interessierter Seite eine ähnliche Provokation wie die bei Gornji Vakuf, um im kommenden Winter die Daumenschrauben weiter anzuziehen.

Selbstverständlich können die Hilfsorganisationen nicht außerhalb des vorgegebenen politischen Rahmens handeln. Doch dieser spiegelt lediglich die internationale Verhandlungsposition wider, der es gelang, den Krieg zum Bürgerkrieg dreier gleichberechtigter Parteien herabzustufen. Daß sich in diesem Rahmen auch handfeste nationale europäische Interessen verbergen, beweist wiederum der französische Präsident Mitterrand. Sein Vorschlag, den Zugang zu Sarajevo von der kroatischen Hafenstadt Split aus mit Gewalt zu sichern, ist ja keineswegs falsch.

Würde jedoch das von diesem Eingreifen betroffene Gebiet statt von Kroaten von Serben kontrolliert, hätte er angesichts der bisherigen proserbischen französischen Politik auf diesen Vorstoß verzichtet... Erich Rathfelder

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