■ Zum Kaindl-Prozeß: Recht gilt für alle
Ob es sich beim Tod des Rechtsextremisten Kaindl um gemeinschaftlich begangenen Mord handelt, wie die Anklage behauptet, oder ob da über den Rahmen des Strafgesetzbuches grob hinausgegangen wurde, muß der Prozeß erst ergeben. Manches spricht dafür, daß die Staatsanwaltschaft nicht frei von ideologischer Blindheit ist und entschlossen, dem Angeklagten mit der maximal möglichen Härte zu begegnen. Schließlich gehört zu einem Mord die geplante Verabredung zur gezielten Tat gegen eine konkrete Person – dafür aber gibt es bislang wenig Hinweise. Die Staatsanwaltschaft tut sich deshalb keinen Gefallen; sie bestätigt mit der überzogenen Anklage eher Vorurteile. Eine andere Sache aber ist es, dem Gericht wegen angeblicher Rechtslastigkeit der Justiz pauschal abzusprechen, über die Angeklagten zu urteilen, und den Beschuldigten gleichzeitig Absolution für jedwede antifaschistische Aktion zu gewähren. Beides ist Unfug. Es mißbraucht das Anliegen, wenn daraus das Recht abgeleitet wird, über Leben und Tod zu entscheiden. Der nötige Protest gegen Rechtstendenzen in der Bundesrepublik muß in den Formen eines demokratischen Gemeinwesens geschehen. Daran ändern auch die Morde von Neonazis nichts; diese zu ahnden ist Aufgabe des staatlichen Gewaltmonopols. Die Tötung von Menschen, auch von Rechtsextremen, gefährdet die demokratische Gesellschaft mehr, als es ein Kaindl vermutlich jemals hätte tun können. Erfolgreich kann eine politische Auseinandersetzung nur sein, wenn der Antifaschismus die Köpfe der Menschen gewinnt. Die Angeklagten im Kaindl-Prozeß haben deshalb ein Recht auf ein faires Verfahren unter dem kritischen Blick der Öffentlichkeit. Ihrer Tat aber müssen sie sich stellen. Gerd Nowakowski
Siehe Bericht Seite 1 und 4
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