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STANDBILDZum Einschlafen

■ "Stirbt unser Boden?" DFF 1, Mi. 20.00 Uhr

Der Boden, die Haut unseres Planeten, befindet sich in einem schlimmen Zustand. Wir trampeln mit tonnenschweren Maschinen auf ihm herum und nehmen ihm die Luft zum Atmen. Wir streuen Gift in hohen Konzentrationen und mästen seine Pflanzen mit Kunstdünger. Wir ersäufen ihn in Gülle und plagen ihn mit Monokulturen. Wir setzen seine Humusschicht der Erosion aus und schicken ihm unsere Abwindfahnen aus Chemiewerken und Metallhütten. Ist der Patient noch zu retten?

Die neue Fernseh-Urania hatte sich zur besten Sendezeit ein wichtiges Thema ausgesucht, das angesichts der ökologischen Misere der DDR mit ihren verseuchten und verdichteten Böden drängend und brisant ist. Doch die unpolitische und monotone Behandlung des Themas geriet schnell zum Langeweiler. Über die Zustandsanalyse, die mit hübschen Schaubildern und sorgenzerfurchten Stirnen von Bodenkundlern und Hygienikern noch recht anschaulich ins Bild gesetzt wurde, kam man nicht hinaus.

Vergiftungen und Verseuchungen haben immer einen Namen. Mal heißen sie Sandoz, mal Bayer, mal Boehringer, mal Toepfer, und manchmal VEB-Oberluckenheim oder SED-Minister Reichelt. Bei der Urania gab es nur die Vergangenheit und ein paar anonyme rauchende Schornsteine, deren Schwermetalle die Böden vergiften. Handelnde Akteure: Keine, allenfalls die Regenwürmer. Auch der spannende politische Streit, der jetzt um die Beseitigung und Kosten dieser Altlasten ins Haus steht, wurde nicht thematisiert. Die neuen Probleme der Landwirtschaft der DDR, die Nachrüstung und Stillegung von Industrieanlagen: kein Thema. Selbst die Alternativen für die bisher in der DDR praktizierte Form der Bodenbewirtschaftung blieb unklar und reduzierte sich auf die Formel: etwas weniger Gift und Dünger, ein paar Flächen stillegen und die Äcker verkleinern. Man braucht kein Fan von ökologischer Landwirtschaft zu sein, um diese Alternative und ihre durchaus vorhandenen Ansätze in der DDR wenigstens einmal zu benennen.

Das anschließende Frage- und Antwortspiel mit den Zuschauern konnte nicht besser werden als der zuvor gezeigte Film. Wenn man die Phantasie der Zuschauer zuvor so gründlich ertränkt hat, darf man sich nachher über die Qualität der Fragen nicht wundern. Typisch für die Sendung war vielleicht die Schlußfrage an die Experten: Was wünschen Sie sich für den Boden? Freiheit, Glück, Zufriedenheit und ein Sechser im Lotto. Manfred Kriener

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