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■ Zum Abschluß der Zollunion zwischen EU und TürkeiEinzug in Europas Kellergeschoß

In der Türkei herrscht Jubelstimmung. „Ein hundertjähriger Traum geht in Erfüllung“, schlagzeilte gestern die große Istanbuler Tageszeitung Hürriyet anläßlich des Vertrages über die Zollunion zwischen der EU und der Türkei. Der türkische Außenminister Murat Karayalcin („der glücklichste Tag in meinem Leben“) schwärmte, daß sein Land endlich einen Grundbucheintrag für eine Wohnung im europäischen Haus erhalte. Doch eigentlich schlage das Herz der Türkei für eine bessere Wohnung in einer der höheren Etagen. Kaum ein Thema hat in den vergangenen Monaten in Ankara die Emotionen so aufgewühlt wie der Beitritt der Türkei zur Zollunion, der wegen Menschenrechtsverletzungen und des Vetos Griechenlands lange auf der Kippe stand.

Die Zollunion, die die Zollschranken aufhebt und Anfang 1996 in Kraft treten soll, ist ein radikaler Einschnitt in die türkische Wirtschaft. Die Türkei verpflichtet sich, binnen weniger Monate die Wirtschafts- und Handelsgesetzgebung zu verändern und den EU- Standards anzupassen. Während einige Sektoren wie etwa die türkische Textilindustrie vom Exportboom nach Europa profitieren werden, sind andere Sektoren, wie Automobilkonzerne, die bislang für den türkischen Binnenmarkt produzierten, durch die Zollunion bedroht. Doch in der innenpolitischen Diskussion in der Türkei wurde die Zollunion kaum als wirtschaftpolitischer Kontrakt im gegenseitigen Interesse der vertragschließenden Parteien behandelt. Statt dessen war von „Ehre“ die Rede. Sieht man von den Islamisten ab, herrscht eine breiter Konsens von rechts nach links. Letzendlich geht es den Türken darum, daß sie als „zivilisierte“ Muslime, die zudem über eine Blondine als Ministerpräsidentin verfügen, in dem politischen System Europas ihren Platz einnehmen statt im Hexenkessel des Nahen Ostens. Nicht gering ist die Zahl türkischer Linksliberaler, die gar erhoffen, daß sich die Menschenrechtssituation auf Druck des Europaparlaments verbessern wird.

All diese Hoffnungen könnten sich aber als trügerisch erweisen. Letztendlich wird die innere Dynamik in der Türkei darüber entscheiden, ob der Weg für eine demokratische Lösung des Kurdenkonflikts geebnet wird. Mit kleinen Reformen, um die Europäer bei Laune zu halten, ist es nicht getan. Zum anderen sind ernsthafte Zweifel daran angebracht, daß die Europäer die Türkei überhaupt wollen. Und zwar nicht wegen der katastrophalen Menschenrechtssituation. Der bislang aus Christen bestehende Club kann die muslimische Türkei mit der Zollunion abspeisen und ihr für immer und ewig die Vollmitgliedschaft verweigern. Ömer Erzeren

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